Sobo Swobodnik / Copyright: Kamiz Schokofeh

"Ab 18! – Eben noch Leben" - Fünf Fragen an Filmemacher Sobo Swobodnik

3sat zeigt "Ab 18! – Eben noch Leben" (Deutschland 2022) von Sobo Swobodnik über die Sterbe- und Trauerbegleiterin Johanna Klug (27) im Rahmen seines Programms "10 Jahre Ab 18!" am Montag, 28. November 2022, um 23.15 Uhr. Mit  20 Jahren hatte Johanna damit angefangen: „Es war das Bedürfnis nach direkten, aufrichtigen und echten Begegnungen mit Menschen.” Diese Intensität der Begegnung findet sie nicht nur im Hospiz oder bei ihren Ausflügen mit einem Mädchen, das um seine verstorbene Schwester trauert, sondern auch beim ausgelassenen Tanzen. Der Film ist ein assoziatives dokumentarisches Porträt der lebensfrohen jungen Frau und ihres Alltags zwischen Doktorarbeit, Feiern und dem Engagement für Sterbende und ihre Angehörigen. Sobo Swobodnik hat nach dem Schauspielstudium Regiearbeiten im Theater und mehrere Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme realisiert. Für "Der Papst ist kein Jeansboy" wurde er 2012 mit dem Max-Ophüls-Preis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet.

Fotos zur Reihe "Ab 18!" finden Sie hier.

Dokumentarfilm
Mo 28. Nov
23:15 Uhr
Interview

Johanna Klug hat mit ihrer Arbeit als Sterbe- und Trauerbegleiterin schon seit einiger Zeit eine gewisse mediale Präsenz – als Buchautorin oder Presenterin in den Sozialen Medien. Wie bist Du auf sie aufmerksam geworden und was hat Dich überzeugt, einen Dokumentarfilm mit ihr und über sie zu machen?

Als ich Johanna im Herbst 2020 kennenlernte - zuerst über einen Medienartikel, dann persönlich - war ihre Popularität noch eher bescheiden; sie hatte weder ein Buch veröffentlicht, noch war sie Presenterin. Gleichwohl eine spannende Persönlichkeit, da sie - das hat mich von Anfang an fasziniert - die unüberbrückbar scheinenden Themen Tod und Leben ganz selbstverständlich und originär zusammenbringt, und mit und durch ihr eigenes Leben ausdrückt. Diese anfängliche Faszination wollten wir in unserem Film einfangen und umsetzen. Der Film erzählt das Leben von Johanna und versucht, wie auch die Protagonistin selbst, der Schwere des Themas mit Leichtigkeit zu begegnen, dem Tod narrativ das Leben gegenüber zu stellen, um in der Auseinandersetzung und Ambivalenz beides miteinander zu verbinden: Leben und Tod, - so, als wolle der Film und mit ihm die Protagonistin sagen: Indem ich mich mit dem Tod intensiver auseinandersetze, spüre ich das Leben um so mehr. Oder: Der Umgang mit dem schmerzlichen Tod ermöglicht mir ein freudigeres, auch intensiveres Leben.

Inwieweit haben die Begegnungen und der Austausch mit Johanna Deine eigene Sicht auf Leben und Sterben beeinflusst?

Der Tod, die Trauer und das Sterben haben für mich persönlich aber auch als Filmemacher in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewonnen. Was sicher mit dem zunehmenden Alter, aber auch mit persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen zusammenhängt. Durch den Film „Eben noch Leben“ und durch die Auseinandersetzung mit Johanna, und wie sie ganz persönlich als Sterbe/Trauerbegleiterin damit umzugehen pflegt, hat sich mein Blick auf diese Themenbereiche erweitert und ein stückweit auch verändert: Tod und Leben, auch wenn es Binsen sind, scheinen tatsächlich mehr zusammenzugehören, als uns vielleicht lieb sein will. Und wenn man das akzeptiert oder zumindest respektiert, dann lebt es sich mit dem Tod einfach leichter.

Wie viele Deiner Filme ist auch „Eben noch Leben“ in enger Zusammenarbeit mit Elias Gottstein (Musik) und Manuel Stettner (Montage) entstanden. Wie würdest Du die Besonderheit Eures Team Works bezeichnen? Und welche Rolle hat die Protagonistin bei der Gestaltung und Narration des Films gespielt?

Uns drei verbindet ja eine weit über ein Jahrzehnt währende Zusammenarbeit und Freundschaft, die auch fast ein dutzend Filme als Ergebnis zeitigt, was vieles tatsächlich einfacher macht. Wir glauben, uns künstlerisch schon ganz gut zu kennen, sodass wir in der Zusammenarbeit großes Vertrauen und Wertschätzung für den anderen mit einbringen. Wir müssen uns gegenseitig nicht mehr imponieren und uns etwas beweisen – wir wissen, was wir zusammen gut können. Das macht die Arbeit entspannter, auch kreativer. Bei allen unseren Filmen beziehen wir die Protagonist*innen stark mit in den Entstehungsprozess ein, d.h. es wird unheimlich viel geredet und diskutiert, entworfen und kreiert, bis überhaupt die erste Klappe fällt. Das ist manchmal anstrengend, aber es zahlt sich auch oft aus.

„Eben noch Leben“ arbeitet offen mit Inszenierungen. Worin liegt für Dich die Notwendigkeit und der Reiz einer solchen Arbeitsweise beim Dokumentarfilm?

Dokumentarfilm ist nicht ausnahmslose Abbildung von Realität, sondern viel eher verdichtete Wirklichkeit. Was bedeutet, dass fast alle dokumentarischen Formen mit Inszenierungen und Arrangements arbeiten. Das scheint mir auch notwendig zu sein. Man kann eben nicht einfach so mit laufender Kamera in einen Club marschieren und die tanzende Protagonistin abfilmen. Das muss geplant, arrangiert, mitunter auch inszeniert werden. Wobei bei unserem Film alles aus der Realität stammt. Trotz der Arrangements spielen Improvisationen und Spontanität in den jeweiligen Situationen eine große Rolle. Das ist nicht nur in den Begegnungen mit den Menschen im Film so, sondern auch bei dem, was Johanna so tagtäglich treibt. Da ist nichts dazu erfunden, sondern das was ist, das was da ist, wird eben zum Teil arrangiert. Dabei orientiert sich der Film weitestgehend an der Konvention und an experimentellen Spielformen und Arrangements. Der inhaltliche Ansatz wiederum scheint mir darüber hinaus noch interessanter zu sein, weil er die Themenkomplexe Tod, Sterben und Trauer mit der Affirmation für das pralle Leben erzählt. Das mutet für mich schon sehr ungewöhnlich an, so ungewöhnlich wie die Protagonistin selbst.

Die Dreharbeiten fanden Ende 2021/Anfang 2022 noch unter Corona-Bedingungen statt. Vor welche Herausforderungen hat Euch das gestellt, und wie seid ihr damit umgegangen?

Kurioserweise hat uns das gar nicht so sehr beeinträchtigt, da wir immer in einem ganz kleinen Team arbeiten, also Ton, Kamera/Regie und Protagonistin, und wir auch in der Vor-Corona-Zeit schon Filmprojekte realisiert haben, die unter erschwerten Bedingungen (wie z.B. ein Dreh im Dschungel von Venezuela) stattgefunden haben. Aber klar, verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, ohne die es nicht ging, beeinträchtigen natürlich den Arbeitsablauf, im übrigen auch die Psyche und verlangen in der Regel auch mehr Zeit und Sorgfalt.

Die Interviewfragen stellte Katya Mader

Hauptabteilung Kommunikation
Programmkommunikation

Claudia Hustedt
hustedt.cwhatever@zdf.de
Mainz, 09. November 2022
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