Filmemacherin Yasmin C. Rams bei Dreharbeiten 
© ZDF und Vita Spiess.

5 Fragen an Filmemacherin Yasmin C. Rams zu ihrem Film "Heil Dich doch selbst"

„Heil Dich doch selbst“ ist Ihr Langfilm-Debut als Regisseurin. Wie kam es zu der Entscheidung, Ihre eigene (Krankheits)Geschichte - und auch die Ihres Vaters - erzählen zu wollen?

Ich glaube, als Dokumentarfilmerin erzählt man einfach gerne von der Wirklichkeit. Wenn man über etwas stolpert, was einen begeistert, dann denkt man meist zuerst: Könnte das ein Film sein? Ist es eine Geschichte, die es vielleicht wer ist, filmisch erzählt zu werden? Egal, ob es die eigene Geschichte ist, die des Vaters oder die einer ganz fremden Person. So kam es auch bei „Heil Dich Doch Selbst“. Die erste Inspiration, die nicht-konventionelle Medizin auszuprobieren und diesen Selbstversuch zu filmen, war meine Freundin Hillary Rubin. Hillary hatte eine Karriere in der schnelllebigen New Yorker Modebranche aufgegeben, um nach L.A. zu ziehen und sich darauf zu konzentrieren, einen medikamentenfreien Weg zu finden, um mit ihrer Multiplen Sklerose umzugehen. Ihre Geschichte hat mich beeindruckt. Ich wusste nicht, dass so etwas überhaupt möglich sein kann. Ich kannte Ayurveda und Traditionelle Chinesische Medizin noch nicht als die alten medizinischen Systeme, die sie sind. Nachdem ich 15 Jahre zweimal täglich verschiedene Medikamente einnehmen musste, die eine Liste mit schwerwiegenden potenziellen Langzeitnebenwirkungen aufwiesen, war ich sehr motiviert, meine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen. Außerdem wurde bei meinem Vater Parkinson diagnostiziert. Er war schon immer mein Fels in der Brandung. Also hoffte ich, dass ich möglicherweise auch etwas finden könnte, das ihm helfen würde. 
Da sich all das nach einem Film anhörte, nahm ich dann einfach die Kamera in die Hand. Und 5 Jahre später war der Film fertig.

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Interview

Wie haben Sie Ihre anderen Protagonist*innen gefunden und nach welchen Kriterien haben Sie sie für Ihren Film ausgewählt? 

Die Auswahl war ein organischer Prozess. Wegen meines Vaters hatte ich ein starkes Interesse an der Parkinson-Krankheit. Meine Recherche führte mich zu Howard und Rick in Portland. Hillary und Junius gehören zu meinem Freundeskreis in L.A. Beide sind so unglaubliche Menschen, die eine außergewöhnliche Entschlossenheit und eine ganz besondere Glaubensfestigkeit haben. Ich hatte das Gefühl, dass ihre Geschichten erzählt werden mussten. Während meiner Recherche habe ich festgestellt, dass die Krankheit, zu der es die meisten Informationen zu alternativen Behandlungen gibt, Krebs ist. Da ich leider zwei Menschen kannte, die während der Produktion von „Heil Dich Doch Selbst“ an Krebs starben, wurde diese Krankheit für mich auch zu einem wichtigen Thema, das ich in meine filmische Suche integrieren wollte. Außerdem hat mich die Geschichte Fionas sehr inspirierte. Sie hat ihren Krebs zweimal überlebt. Sie ist eine wahre Kämpferin. Und die Geschichte von Miguel kam mir zu einem Zeitpunkt zugeflogen, als ich eigentlich kurz davor war aufzugeben, jemanden zu finden, der wie ich an Epilepsie litt. Auf einem Dokumentarfilmfestival traf ich einen kolumbianischen Produzenten und Freund von mir. Der erzählte er mir von seinem Schwiegervater Miguel, der mit Hilfe von Ayahuasca von Epilepsie geheilt worden. Das führte mich in den wunderschönen kolumbianischen Regenwald. 

 

Die Geschichten Ihrer Protagonist*innen lassen an Erfahrungen teilhaben, die auch für Zuschauer*innen, die nicht an schweren chronischen Krankheit leiden, interessant sein können. Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse, die sie aus den Begegnungen mit Ihren Protagonist*innen mitnehmen konnten?

Die Protagonist*innen haben mich alle enorm inspiriert. Trotzdem war ich am Anfang meines Selbstversuchs ziemlich naiv, weil ich dachte, dass ich mit ein paar Veränderungen des Lebensstils relativ leicht eine Lösung für meine Epilepsie finden könnte. Ich wusste, dass es Disziplin erfordern würde. Das hatte mir Hillary immer wieder gesagt und ich hatte es bei ihr die Jahre zuvor auch hautnah mitbekommen. Doch einen wichtigen Satz, den Hillary auch im Film sagt, hatte ich mir wohl nicht ganz zu Herzen genommen: dass es keine Garantien gibt. Natürlich ist das auch eine Nachricht, die nicht so einfach aufzunehmen ist, wenn man gerade versucht, mit vollem Elan einen großen Schritt, wie den der Medikationsumstellung, zu gehen.
Nach etlichen Rückschlägen wurde mir endlich klar, dass es nicht so einfach werden würde, wie ich es mir erhofft hatte. Da es mir wichtig war, einen ehrlichen Film zu machen, habe ich mich entschieden, diese anfängliche Naivität auch zu zeigen. 
So naiv ich anfangs auch war, durch die Erfahrung habe ich gelernt, mich selbst viel besser zu verstehen. Sie hat mich Dinge über mich selbst gelehrt. Vor allem haben mich die Reise selbst und meine Protagonist*innen Resilienz gelehrt. Resilienz ist ein unheimlich großer und wichtiger Faktor, wenn es um chronische Krankheiten geht. Sich nicht aufzugeben, ist nämlich nicht so einfach. 
Während mich eigentlich alle Protagonist*innen positiv beeinflusst und inspiriert haben, so waren es vor allem aber Junius und seine Hypnose-Arbeit sowie die Reise nach Kolumbien, die mich in meinem Resilienz-Aufbau bestärkt haben. Danach verstand ich plötzlich, wie viel Einfluss die Epilepsie tatsächlich auf meine Psyche hatte und umgekehrt. Als Menschen mit einer chronischen Krankheit neigen wir dazu, unseren Körper abzulehnen und zu verurteilen...manchmal ziemlich hart. Wir fangen an, ihn zu bekämpfen, anstatt mit ihm zu arbeiten. Meine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen und meinen mentalen Zustand, zusammen mit meinen körperlichen Symptomen zu erforschen, gab mir die Chance, mich wieder mit meinem Körper verbunden zu fühlen – auf eine Weise, die ich seit vielen, vielen Jahren nicht mehr gefühlt hatte. 
Bei meinen Protagonist*innen schien es ähnlich zu sein. Unabhängig davon, ob sie letztendlich die volle Kontrolle über ihre Krankheiten erlangt haben oder nicht, sie alle haben ein ganzheitlicheres und tieferes Verständnis für sich selbst gewonnen – mental, emotional und physisch. 
Diese Entwicklung und dieses „learning“ spiegelt sich auch im Titel des Films wider: Er beschreibt das Gefühl, das ich am Anfang meiner Reise hatte, sowie das, das ich gegen Ende hatte. Am Anfang meiner Reise wollte ich zu meiner Diagnose, Prognose und der Schulmedizin schlicht und einfach „F*** you!“ sagen. Doch mein „heile dich doch (einfach) selbst“ schien ja schnell eine Aufforderung zu sein, die leichter gesagt als getan war. Aber wenn man dran bleibt, ist es in den meisten Fällen unheimlich lohnenswert und kann zu Erfolgen führen – wenn auch nicht immer genau auf die Art und Weise, wie man es sich anfangs gedacht hat.

 

Wie hat Ihr persönliches Umfeld auf Ihre Experimente mit komplementären Heilmethoden reagiert?

Mein Umfeld in Los Angeles war enorm anspornend und hat sich für mich gefreut, dass ich versuche, meine Gesundheit in die eigene Hand zu nehmen. Nur meine Eltern waren große Kritiker*innen - wie man im Film ja auch sieht. 

 

Ihr Film wurde im letzten Jahr auf Festivals und im Kino gezeigt. Was haben Sie aus den vielen Gesprächen zum Film mitgenommen, die sie nach den Screenings geführt haben?

Es war sehr berührend, wie die Menschen auf den Film reagiert haben – insbesondere Menschen mit chronischen Krankheiten. Wir hatten Unterstützung von der Hilde-Ulrichs-Stiftung für komplementäre Parkinson Therapien sowie einigen Epilepsie-Selbsthilfegruppen. Teilweise sind Menschen mit Parkinson zu den Vorführungen gekommen, die schon gar nicht mehr richtig stehen konnten. Einer der Zuschauer sagte, da man als Mensch mit Parkinson so wenige Orte habe, an denen man positive Gedanken über sich und den Umgang mit seiner Krankheit vermittelt bekommt, nimmt man eine Fahrt von  vielen Kilometer gerne auf sich, um den Film sehen zu können. 
Auch eine Teenagerin mit Epilepsie kam mit ihren Eltern. Sie erzählte mir nach dem Film, dass sie ihre Medikamente unregelmäßig nimmt, Party macht, und dabei in Kauf nimmt, regelmäßig Anfällen zu bekommen, weil sie als Jugendliche einfach nicht eingeschränkt sein will. Durch den Film habe sie nun aber gemerkt, dass Epilepsie zu haben nicht heißt, nur fremdbestimmt zu sein, sondern auch die Möglichkeit, seinen eigenen Körper besser kennenzulernen und sich mit ihm auf eine ganz besondere Art und Weise auseinander zu setzen. Das hat bei ihr offenbar  nachgewirkt und sie hat einen besseren Umgang mit ihrer Krankheit gefunden, indem sie eine andere Perspektive gewonnen hat. Diese und ähnliche Geschichten haben mich während der Festival- und Kino-Tour wirklich sehr bewegt. 

 

Das Interview führte Nina Körber

Hauptabteilung Kommunikation
Programmkommunikation

Claudia Hustedt
hustedt.cwhatever@zdf.de
Mainz, 05. Juni 2023