
Filme von Peter Nestler und ein Konzert zum Gedenktag für Sinti und Roma
Mit "Unrecht und Widerstand - Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung", "Der offene Blick - Künstlerinnen und Künstler der Sinti und Roma" und "Fremde Kinder: Mit der Musik groß werden" sowie einem Konzert der "Roma und Sinti Philharmoniker"
Anlässlich des "Europäischen Holocaust-Gedenktags für Sinti und Roma" am 2. August 2022 zeigt 3sat am Montag, 25. Juli 2022, ab 22.25 Uhr zwei neue Dokumentarfilme von Peter Nestler. Um 22.25 Uhr spricht Bürgerrechtler Romani Rose in "Unrecht und Widerstand - Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung" über seine Familiengeschichte und seine Erfahrungen. Bereits 1970 drehte Nestler "Att vara zigenare" ("Zigeuner sein") für das schwedische Fernsehen. Damals der erste Film, der nicht über die Minderheit sprach, sondern die Menschen selbst zu Wort kommen ließ. 52 Jahre später zeigt Nestler, wie hartnäckig sich Vorurteile und Feindbilder gehalten haben. Um 0.25 Uhr folgt "Der offene Blick - Künstlerinnen und Künstler der Sinti und Roma", der Künstler*innen vorstellt, die in ihren Werken das Trauma der Verfolgung und ganz persönliche Erfahrungen gestalten. Am Dienstag, 26. Juli 2022, 2.35 Uhr, zeigt 3sat Nestlers Film "Fremde Kinder: Mit der Musik groß werden" (Deutschland 2003) über die Roma-Mädchen Brigitta und Tünde aus Budapest, die seit ihrem fünften Lebensjahr Geige spielen. Außerdem präsentiert 3sat in der 3satMediathek ein Konzert der "Roma und Sinti Philharmoniker". Aufgeführt beim "Morgenland Festival Osnabrück" im November 2021 unter der Leitung von Riccardo M Sahiti.
Alle Beiträge sind ab Sonntag, 24. Juli 2022, 22.25 Uhr, für 90 Tage in der 3satMediathek abrufbar.
Fotos zu den aktuellen Filmen von Peter Nestler finden Sie hier.
22:25 Uhr
Montag, 25. Juli 2022, 22.25 Uhr, im TV
"Unrecht und Widerstand - Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung"
Dokumentarfilm von Peter Nestler, Deutschland 2022
Erstausstrahlung
Über acht Jahrzehnte haben deutsche Sinti und Roma Unrecht erfahren. Der Dokumentarfilm "Unrecht und Widerstand - Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung" erzählt von Romani Roses Familie, ihrem Widerstand und ihrem Beharren auf Gerechtigkeit. Es ist die leidvolle Geschichte einer Minderheit zwischen Trauma und Selbstbehauptung, die die gesamte Nachkriegszeit hindurch bis in die Gegenwart hinein Gewalt und behördliche Schikanen erlitt und nur dank der Bürgerrechtsbewegung Anerkennung erfuhr. 13 nahe Verwandte der Roses wurden in den Lagern der Nazis umgebracht. Romani Roses Vater Oskar war damals untergetaucht und wurde von der Gestapo gesucht. Von seinem mutigen Handeln berichtet der Film ebenso wie von seinem vergeblichen Versuch, im April 1943 beim Münchner Kardinal Michael von Faulhaber um Schutz für die Verfolgten zu bitten, sowie von der riskanten Befreiung seines Bruders aus dem KZ Neckarelz. Für Roma und Sinti, die den Völkermord überlebt hatten, waren Ausgrenzung, Armut und behördliche Schikanen Alltag. Der Porajmos, der Genozid an der Minderheit, wurde erst 1982 offiziell anerkannt. Peter Nestler beschreibt in seinem neuen Dokumentarfilm den langen Weg aus der Rechtlosigkeit und Diskriminierung in die Bürgerrechtsbewegung. Deren unermüdliches Engagement zeugt von Zivilcourage und Bürgersinn, vom entschiedenen Eintreten für das Miteinander diverser Kulturen und von zukunftsweisendem Demokratieverständnis. Der Film arbeitet mit vielfältigem Archivmaterial sowie Kommentaren und wird zusammengehalten von dem Gespräch mit Romani Rose über seine Familiengeschichte und seine Erfahrungen als Bürgerrechtler.
Montag, 25. Juli 2022, 0.25 Uhr, im TV
"Der offene Blick - Künstlerinnen und Künstler der Sinti und Roma"
Dokumentarfilm von Peter Nestler, Deutschland 2022
Erstausstrahlung
"Der offene Blick - Künstlerinnen und Künstler der Sinti und Roma" stellt Künstler*innen der Sinti und Roma vor, die in ihren Werken das Trauma der Verfolgung und ganz persönliche Erfahrungen gestalten. Sie bedienen sich verschiedenster Ausdrucksformen und Mittel, doch allen gemeinsam ist der offene Blick. Diesen erfahrbar zu machen, gelingt Peter Nestler, indem er ihnen ohne kulturelle Festschreibungen und auf Augenhöhe begegnet. Gitta Martl und ihre Tochter Nicole Sevik lesen kurze Texte. Sie gedenken darin der Sinti und Roma im oberösterreichischen "Zigeuneranhaltelager" Weyer. Ceija Stojka (1933-2013) war eine österreichische Schriftstellerin, Malerin, Sängerin, Aktivistin und Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen. Ihre Bilder werden weltweit in Museen und Galerien ausgestellt. Ceija Stojka schuf eigene Ausdrucksformen, formte Erinnerung und Traumata zu einem malerischen Oratorium gegen das Vergessen. Filmemacherin Karin Berger begleitete das Schaffen Stojkas als Freundin und Mentorin während zweieinhalb Jahrzehnten. Sie erinnert an die außergewöhnliche Frau. Schriftsteller und Roma-Aktivist Samuel Mágó, der sich in seinen Texten mit Identität und Vorurteilen auseinandersetzt, sagt: "Für meine Generation ist Ceija Stojka ein wahnsinnig großes Vorbild." In diesem Kontext steht ein Exkurs der Filmwissenschaftlerin Radmila Mladenova zu antiziganistischen Klischees in der Filmgeschichte seit D. W. Griffith, denen Fotografien entgegengestellt werden, die durch einen "egalitären Blick" in der Darstellung von Sinti und Roma gekennzeichnet sind. Die Künstlerin Lita Cabellut verbrachte ihre Kindheit in prekären Verhältnissen im spanischen Aragon. Als Zwölfjährige wurde sie von einer katalanischen Adelsfamilie adoptiert, übersiedelte 1980 in die Niederlande, studierte an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam und lebt seither in Den Haag. Als Malerin bedient sie sich einer neuzeitlichen Fresko-Technik, kreiert Opern-Ausstattungen und Kostüme. In den letzten Jahren hat sich für Künstler*innen einiges zum Positiven gewendet. So bietet beispielsweise die Galerie und Stiftung Kai Dikhas unter Leitung von Moritz Pankok mit mehr als hundert Ausstellungen ein kontinuierliches Forum. Teile der Sammlung sind auf der diesjährigen "documenta fifteen" zu sehen. Jovan Nicolić erzählt in poetischen Kurzgeschichten von seiner Kindheit in einer jugoslawischen Musikerfamilie. "Die Träne" ist eine tragikomische Miniatur über die Trauerfeier für seinen toten Vater, dem man ein letztes Mal das Saxofon an die Lippen legt. Eingerahmt wird der Film durch Ausschnitte eines Konzerts der "Roma und Sinti Philharmoniker". Unter der Leitung von Riccardo M Sahiti konzertierte das Orchester mit der Performerin Iva Bittová, dem Cymbalisten László Rácz und dem Violinen-Virtuosen Roby Lakatos im November 2021 beim "Morgenland Festival Osnabrück".
"Director's Statement" zu den Filmen "Unrecht und Widerstand" und "Der offene Blick": "In den Sechzigerjahren habe ich von diesem ständigen Unrecht erfahren, wurde darauf aufmerksam gemacht, vor allem durch die Werke des Malers Otto Pankok, den ich 1965 kennenlernte, und durch die soziale Arbeit von Birgitta Wolf, durch die Schriften von Hermann Langbein, der im Auschwitzprozess einer der Hauptzeugen war. Ich erfuhr von der ununterbrochenen Diskriminierung der Minderheit in Deutschland und Österreich, in der sich alles um den Wiederaufbau drehte, um wirtschaftlichen Aufstieg. Die Kriegsverbrechen wurden ad acta gelegt, und die viele Täter, einstige SS-Angehörige und Kriminalpolizisten, wie auch die 'Rassehygieneforscher', kehrten in ihre Ämter und Positionen zurück, betrieben jahrzehntelang weitere Diskriminierung und Ausgrenzung der Sinti und Roma. 1970 machte ich den Film 'Zigeuner sein', der Menschen der Minderheit zu Wort kommen ließ. Die neuen Filme, 'Unrecht und Widerstand' und 'Der offene Blick', sind eine umfangreiche Bestandsaufnahme aus der Gegenwartsperspektive mit Beiträgen von Menschen der Minderheit, den Nachkommen der Überlebenden, den Historikern, die sich mit dem tief verwurzelten Antiziganismus befassen (sich engagieren!), mit Poeten, Musikern, Fotografen und Filmemachern, Journalisten. Was hat sich geändert, ist besser geworden seit den Nachkriegsjahren, und was droht, schlecht zu bleiben? Das sind die Bausteine der Filme, die wir, das Team zusammengesetzt haben. Das und nichts anderes."
Dienstag, 26. Juli 2022, 2.35 Uhr, im TV
"Fremde Kinder: Mit der Musik groß werden"
Dokumentarfilm von Peter Nestler, Deutschland 2003
Das zwölf Jahre alte Roma-Mädchen Brigitta und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Tünde spielen seit ihrem fünften Lebensjahr Geige - wie schon Vater und Großvater. Der Beitrag zur Reihe "Fremde Kinder" war der dritte Film nach "Flucht" (2000) und "Die Verwandlung des guten Nachbarn" (2001), den der renommierte Dokumentarist Peter Nestler für 3sat realisierte. Brigitta und Tünde Máko leben mit ihren Eltern und zwei älteren Schwestern im VI. Bezirk von Budapest. Der Großvater hatte das Talent der beiden Mädchen entdeckt und sie anfangs unterrichtet. Heute besuchen Brigitta und Tünde eine Musikschule in Budapest, in der neben den allgemeinen Fächern auch Einzelunterricht an Musikinstrumenten erteilt wird.
Ab Sonntag, 24. Juli, 22.25 Uhr, für 90 Tage in der 3satMediathek
"Konzert der ROMA UND SINTI PHILHARMONIKER"
Veranstaltung des Morgenland Festival Osnabrück, November 2021
Ausgewählte Kompositionen:
Roger Moreno-Rathgeb: Gypsy Rhapsody Nr. 1 Op. 15
Sergeij Rachmaninow: Capriccio Bohémien ("auf Roma-Themen")
George Enescu: Rumänische Rhapsodie Nr. 1 A-Dur für Orchester
Lol’i Ruža – Traditional Roma Song (Iva Bittová, Roby Lakatos, Balogh Jozsef, László Rácz, Richard Vasko)
Leitung der Philharmoniker: Riccardo M Sahiti
Hauptabteilung Kommunikation
Programmkommunikation
Claudia Hustedthustedt.cwhatever@zdf.de
Mainz, 27. Mai 2022