Guy Clemens (li.) als Protassow und Amelie Willberg (re.) als Fima in Maxim Gorkis "Kinder der Sonne" am Schauspiel Bochum © ZDF und Matthias Horn

"Kinder der Sonne": "Starke Stücke" vom 60. Berliner Theatertreffen

3sat zeigt die Inszenierung vom Schauspiel Bochum

Im Hause Protassow ist eine mehr als dysfunktionale Gemeinschaft versammelt. Allein zusammengehalten durch das Personal, verbringen sie ihre Tage mit den immer gleichen Ritualen. Doch sehen sie sich nicht: Sie leben, reden und lieben aneinander vorbei. Die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik ist bekannt für ihre psychologisch feinsinnigen Inszenierungen. Im Schauspiel Bochum zeigt sie Maxim Gorkis "Kinder der Sonne".

Theater
Sa 20. Mai
20:15 Uhr
Erstausstrahlung

Das Familienoberhaupt, ein Wissenschaftler, zieht sich am liebsten in das hauseigene Labor zurück, belästigt alle anderen mit dem Gestank der Chemikalien, mit denen er hantiert, und empfindet alle Alltagsprobleme, die ihm zugetragen werden, als absolute Zumutung. Er strebt nach Höherem - nicht nur für sich, sondern gleich die gesamte Menschheit, die er sich anmaßt, auf einen besseren Weg führen zu können. Er verliert dabei nicht nur seine schwermütige Schwester und die in verzweifelter Liebe zu ihm entbrannte Witwe Melanija aus dem Blick, sondern auch die eigene Frau, die sich dem gemeinsamen Freund Wagin zuwendet. Auch wenn Protassow seine Frau als selbstverständlich betrachtet und ihr keine Aufmerksamkeit schenkt, bleibt sie ihm treu, sosehr Wagin auch um Jelena wirbt. Ebenso erfolglos bleibt das Bemühen das jungen Tierarztes Tschepurnoi um die Schwester Protassows, Lisa. Eine Katastrophe bahnt sich an, die aber keiner bemerkt, da alle stets um sich und ihre unerwiderte Liebe kreisen. Sie verstehen einander nicht, sind sich fern und scheitern bereits im alltäglichen Zusammenleben. Neurotisch, unglücklich, egoistisch und zutiefst komisch hat sich jeder in seinem Kokon eingerichtet. 

Die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik zeigt Maxim Gorkis "Kinder der Sonne" in einem hyperrealistischen Bühnenbild von Raimund Orfeo Voigt. Die einzelnen Figuren sind in sich selbst gefangen, ohne eine Möglichkeit, den Menschen in ihrer Umgebung wirklich nahe zu kommen. Der Theaterabend scheint wie aus der Zeit gefallen, ist jedoch alles andere als reaktionär, vielmehr verortet sie Maxim Gorkis bitter-komisches Revolutionsstück in einem Umfeld, in dem Menschen nicht mehr zwischen Fakten und Meinung unterscheiden und die Privilegierten nur noch mit Verachtung auf die Mehrheit der Gesellschaft blicken. "Kinder der Sonne" erzählt von einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft und ist damit aktueller denn je.

Fernsehregie : Andreas Morell    
Inszenierung: Mateja Koležnik

Besetzung: 
Pawel Fjodorowitsch Protassow – Guy Clemens    
Lisa  – Anne Rietmeijer    
Jelena Nikolajewna  – Anna Blomeier    
Dmitri Sergejewitsch Wagin – Victor IJdens    
Boris Nikolajewitsch Tschepurnoi – Dominik Dos-Reis    
Melanija – Jele Brückner    
Nasar Awdejewitsch – Konstantin Bühler    
Jegor – Michael Lippold    
Antonowna – Karin Moog    
Roman – Alexander Wermann    
Fima  – Amelie Willberg    
Luscha – Emily Lück

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Hauptabteilung Kommunikation

Stefanie Wald
wald.swhatever@zdf.de
Mainz, 24. März 2023