
makro: Frauen vor – gleiche Leistung, gleiches Geld
Ein Film von Eva Schmidt
Frauen lassen die Männer hinter sich - wenn es um die Bildungsabschlüsse geht. Beim Geld aber ziehen sie noch immer den Kürzeren: Der Gender-Pay-Gap verharrt in Deutschland auf hohem Niveau. In der Dokumentation "Frauen vor – gleiche Leistung, gleiches Geld" berichtet makro über neue wissenschaftliche Erkennstnisse rundum das Thema Einkommensgefälle und kommt ins Gespräch mit Matthias Sutter, Verhaltensökonom und Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Außerdem wird u.a. ein Arbeitssplittung-Modell am Klinikum Bielefeld vorgestellt, bei dem sich zwei Medizinerinnen die Position einer Chefärztin teilen.
22:25 Uhr
Das Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern, der Gender-Pay-Gap, verharrt in Deutschland mit 18 Prozent auf relativ hohem Niveau. Deutschland gehört damit, was die faire Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen angeht, zu den Schlusslichtern unter den EU-Staaten. Auffällig ist, dass der Gender-Pay-Gap in Ostdeutschland mit sechs Prozent deutlich geringer ist als der gesamtdeutsche Durchschnitt. Das hängt mit einem anderen Rollenverständnis von Frauen in der ehemaligen DDR zusammen, das bis heute nachwirkt. Die DDR hatte weltweit die höchste Erwerbstätigenquote von Frauen, was mit einem dichten Netz an Kinderbetreuungsmöglichkeiten einherging. Die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf besteht offensichtlich bis heute in Ostdeutschland weiter. Mehr Frauen arbeiten dort in Vollzeit. In Westdeutschland hingegen war bis in die 1990er Jahre hinein das männliche Familienernährer-Modell gang und gäbe. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge sind Erwerbsunterbrechungen aber der wesentliche Faktor für große Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen. Das hat häufig damit zu tun, dass Frauen in eine andere Funktion zurückrutschen, wenn sie länger eine Auszeit vom Arbeitsplatz nehmen. Dadurch wiederum setzen Gehaltssprünge sehr viel später ein und Beförderungen werden weniger wahrscheinlich.
Während der Gender-Pay-Gap relativ konstant auf hohem Niveau verharrt, klären neue wissenschaftliche Erkenntnisse die Hintergründe auf. Im Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn haben Laborversuche gezeigt, dass Männer deutlich wettbewerbsorientierter sind als Frauen. Das ist schon allein deswegen bemerkenswert, weil in den Laborversuchen Männer nicht besser abschnitten als Frauen. Das heißt, die Wettbewerbsorientierung hängt nicht mit höherer Leistungsfähigkeit zusammen. Was heißt das für den Arbeitsmarkt? Männer sind eher bereit, um ein gutes Einkommen zu verhandeln als Frauen. Zudem arbeiten Männer häufiger in Branchen, in denen stärkerer Wettbewerb herrscht. Ein Beispiel: Männer gehen eher in den Finanz- oder IT-Sektor, Frauen in den öffentlichen Dienst. Und das habe "natürlich für die Gehaltsstrukturen einer Gesellschaft zwischen Männern und Frauen eine ganz, ganz große Auswirkung", sagt Matthias Sutter, Verhaltensökonom und Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern. In seinen Versuchen ist der Forscher auch der Frage nachgegangen, ob sich an der Wettbewerbsbereitschaft von Frauen etwas verändert, wenn eine Quote eingeführt würde. Der Forscher konnte klar feststellen, dass unter einer Quotenregelung Frauen eher den Wettbewerb wählen. Eine wichtige Erkenntnis bestand darin, dass vor allem die leistungsstarken Frauen den Wettbewerb wählten. "Und das ist das, was wir eigentlich aus ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht wollen: Wir wollen in solchen Prozessen die besten Leute haben, und zwar unabhängig vom Geschlecht. Das heißt, wir müssen die besten motivieren können, wirklich am Wettbewerb teilzunehmen. Diese Quotenregelung hat genau diesen Effekt gehabt. Das heißt, das ganze blöde Stammtischgerede von unterqualifizierten Quotenfrauen sollte man empirisch vergessen", meint Matthias Sutter.
Der Forscher betont, dass die Wichtigkeit von fairer Bezahlung gar nicht hoch genug einzuschätzen sei: "Gleiche Leistung, gleiches Geld ist das, was in unserer Gesellschaft definitiv als die faire und korrekte Vorgehensweise wahrgenommen wird." Fairness gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sei etwas, was unglaublich wichtig sei für die Produktivität und damit für die Arbeitswilligkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. "Wenn Arbeitgeber verschiedene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unfair behandeln, dann reduziert das sogar die Arbeitsleistung von denen, die gar nicht von diesem unfairen Verhalten betroffen sind. Und zwar deswegen, weil Fairness eine so hohe soziale Norm bei uns tatsächlich ist." Das geht aus Untersuchungen von Matthias Sutter klar hervor.
Der Gender-Pay-Gap sei ein Problem in allen Industriestaaten, betont Sutter. Immerhin aber sei erkennbar, dass seit dem Zweiten Weltkrieg das Einkommensgefälle rückläufig war, seit den 1980er/90er-Jahren der Prozess allerdings ins Stocken geraten sei. Noch sei nicht klar, ob der Gender-Pay-Gap eines Tages ganz verschwinden wird und wie lange das noch dauern könne.
Eine Branche, die mit einem besonders hohen Gender-Pay-Gap auffällt, ist die Medizin. Ärztinnen verdienen im Schnitt bei einer Vollzeitstelle 30 Prozent weniger als Ärzte. Das liegt zum einen daran, dass weniger Frauen in der Medizin in Führungspositionen gelangen als Männer. Nur 15 Prozent der Chefarztpositionen sind von Frauen besetzt. Zum anderen wählen Frauen und Männer in der Regel unterschiedliche Fachbereiche. Frauen gehen in die sogenannte "sprechende Medizin", sie werden Allgemeinmedizinerin oder Kinderärztin. Männer hingegen wählen oft eine technisch ausgerichtete Sparte der Medizin wie etwa Radiologie oder Chirurgie, die in der Regel besser bezahlt werden als Fachbereiche, die stark mit der Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten verbunden und daher zeitintensiver sind.
Das Klinikum Bielefeld geht einen ungewöhnlichen Weg. Die Adipositas Klinik wird von zwei Frauen geleitet, Dr. med. Beate Herbig und Dr. Carolina Pape-Köhler. Die geteilte Position der Chefärztin ermöglicht es beiden, eine Führungsaufgabe wahrzunehmen und gleichzeitig Zeit für ihre Familien zu haben. "Ich habe drei Kinder und ich wollte gerne Karriere machen. Ohne das Teilzeit-Modell hätte ich mich wahrscheinlich schon entscheiden müssen, ob ich diese viele Zeit von meinen Kindern abknapse. Und ich bin jetzt nicht vor die Wahl gestellt", sagt Carolina Pape-Köhler. Die Position der beiden Ärztinnen ist aber noch aus einem anderen Grund ungewöhnlich: Beide sind Chirurginnen. "Als ich anfing mit der chirurgischen Ausbildung, da war ich die einzige Frau unter 36 Männern", sagt Beate Herbig. Damals habe sie sich als "Maskottchen der Truppe" gefühlt. Heute bewege sich etwas im Operationssaal, aber es würde wahrscheinlich noch eine Generation dauern, bis es ganz normal werde, dass auch Frauen Chirurginnen seien. Die Gründe für den hohen Gender-Pay-Gap in der Medizin sieht Carolina Pape-Köhler auch in fehlender Transparenz: "Bei außertariflichen Verträgen ist der Verdienst häufig auch einem gewissen Verhandlungsgeschick geschuldet. Und oft weiß man nicht, was andere verdienen." Daher fordern beide Chirurginnen, dass Klauseln in den Arbeitsverträgen, wonach über das Gehalt nicht gesprochen werden dürfe, unbedingt der Vergangenheit angehören sollten.
Bemerkenswert für viele Forschende ist der Verlauf des Gender-Pay-Gap in Verbindung mit dem Lebensalter: Aus Studien geht deutlich hervor, dass das Einkommensgefälle zwischen Frauen und Männern wächst, sobald die Lebensphase der Familiengründung beginnt. Während der durchschnittliche Bruttostundenlohn der Männer konstant steigt, flacht die Verdienstkurve von Frauen ab dem Alter von 30 Jahren ab. Die Folge: Die Lohnlücke vergrößert sich zunehmend. Das hängt nicht nur mit der Teilzeit zusammen, die viele Frauen nach der Geburt des Kindes wählen. Denn nicht nur das Monatseinkommen verringert sich, sondern auch der Stundenlohn, weil sich beispielsweise auch Aufstiegschancen verringern. Gesamtgesellschaftlich bedeutet dies, dass nach wie vor Familiengründung beruflich zu Lasten von Frauen geht, während die Karriere von Männern dadurch unberührt bleibt.
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Christina Betkebetke.cwhatever@zdf.de
Mainz, 26. Januar 2023