Martin Traxl (l.) und Rajan Autze (r.) © ORF und Oscar Alessio

Martin Traxl (ORF) und Rajan Autze (SRF) über die "Kulturzeit"

Kulturzeit
Dossier

"Kulturzeit" ist und bleibt ein starkes Stück Europa"
Martin Traxl, Leiter der Hauptabteilung Kultur/Fernsehen (ORF)  

Das Jahr 2020 ist in vielerlei Hinsicht einzigartig und sonderbar. Beethoven wird 250, die "Kulturzeit" 25 und ein Virus legt das gesamte kulturelle Leben lahm. Was also tun, wie gedenken, wie feiern, wenn einem alles abhandenkommt? In Österreich, das sich gern als Kulturnation bezeichnet, gab es nicht nur Stillstand und Verunsicherung, sondern bald völlige Agonie. Keine Pläne, keine Perspektiven, nur vertröstende Äußerungen der Politik. Die Medien, insbesondere die öffentlich-rechtlichen, mussten also in die Bresche springen: den Menschen eine Bühne bereiten, die Hand reichen. Eine Plattform bauen für all das, was sonst nicht passieren konnte. Wir haben ein digitales Filmfestival gestaltet, wir haben mit Musikerinnen und Musikern unterschiedlicher Genres eine CD produziert, wir haben Kunstaktionen ins Leben gerufen, aus denen Ausstellungen und Publikationen hervorgingen. Wir haben als öffentlich- rechtliche Anstalten Partnerschaften aufgebaut und – noch viel mehr als sonst – Kultur nicht einfach abgebildet, sondern selbst generiert. Dank der "Kulturzeit" konnten wir alle Aktivitäten auf eine internationale Ebene heben. Gerade in den letzten Monaten wurde deutlich, wie bedeutsam diese gemeinsame Kraftanstrengung dreier Länder ist. Die "Kulturzeit" ist nicht nur das Konzentrat der kulturellen Leistungen von vier Fernsehanstalten, sie ist ein Statement und ein Symbol für geistige und künstlerische Freiheit, für Meinungsvielfalt und demokratische Grundwerte im gesamten deutschsprachigen Raum. Somit ist und bleibt die "Kulturzeit" ein starkes Stück Europa. Vor und nach der Krise. Mit und ohne Beethoven. Auf die nächsten 25 Jahre!

 

"Covid-19 hat die ganze Power der 'Kulturzeit' gezeigt"
Rajan Autze, Leiter 3sat und Redaktion "Kulturplatz" beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)

Pünktlich um 10.15 Uhr klingelt das Telefon im Baseler Büro vom Schweizer Radio und Fernsehen, SRF. Fünf Mal in der Woche. Am Dienstag auch noch zusätzlich um 12.00 Uhr. Ein Anruf aus Mainz. Die sogenannte "Partnerschalte" beginnt: der Austausch darüber, was die Menschen in den 3sat-Ländern beschäftigt, welche Debatten gerade laufen, welche Themen die "Kulturzeit" aufgreifen soll. Meistens geht es ganz ruhig und gesittet dabei zu, gelegentlich wird aber auch leidenschaftlich darüber gestritten, was in der Sendung Platz haben soll. Allen geht es um das bestmögliche Programm aus drei Ländern, um Aktualität und Relevanz. Als zu Beginn der Corona-Krise die Kulturspielstätten schließen mussten, gab es bei der Partnerschalte vor allem dieses Thema: Was können wir überhaupt noch zeigen? Wird es weiterhin einen öffentlichen Diskurs geben, obwohl alle zu Hause sitzen? Was kann die "Kulturzeit" senden, wenn die Kultur zum Erliegen kommt? Diese Sorgen aber waren vollkommen unbegründet, denn mit der Corona-Krise ploppten ganz neue Themenfelder auf: die finanzielle Notsituation vieler Kulturschaffender; die staatlichen Hilfsmaßnahmen; die Digitalisierung der Kreativszene; die gesellschaftlichen und politischen Debatten rund um die Einschränkungen. Und all diese Fragen wurden gespiegelt aus der Perspektive dreier Länder, die manchmal ganz ähnlich agierten, häufig aber auch ganz unterschiedlich. Corona hat uns vor zentrale Fragen unseres Zusammenlebens gestellt – wirtschaftlich, politisch, ethisch. Wer könnte solche Fragen besser reflektieren als die "Kulturzeit", die stets die größere Drei-Länder-Perspektive einnimmt? Covid-19 hat die ganze Power der "Kulturzeit" gezeigt: Plötzlich waren alle im Homeoffice, Interviews wurden per Skype geführt, die Produktionsteams auf ein Minimum reduziert. Und dennoch war jede Sendung topaktuell, jeder Beitrag wichtig – wie seit 25 Jahren. Die Corona-Krise hat bewiesen: Die "Kulturzeit" ist gerade erst im besten Alter angekommen und strotzt vor Energie.