Sylvie Njobati kämpft für die Rückkehr der Ngonnso aus Deutschland, der Muttergottheit der Nso in Kamerun © ZDF/Lukas Piechowski

Restitution im Fadenkreuz der Weltpolitik: 3sat zeigt Kulturdoku "Einmal Raubkunst und zurück"

Ein Film von Frank Vorpahl

Wann, wenn nicht jetzt, heißt es in Afrika und auch bei den Sámi im Norden Finnlands. Koloniale Raubkunst kann endlich zurückkehren. Doch viele Probleme fangen damit erst an. Und alle Fälle sind ein kleiner Krimi für sich – und werfen zugleich prinzipielle Fragen auf: Wie intensiv müssen sich die Groß- und Kolonialmächte von einst auf Rückgaben von Kulturschätzen einlassen, um die Wunden der Vergangenheit zu heilen? Oder versuchen sie durch das Herausrücken von Kulturschätzen eine umfassende Wiedergutmachung von Völkermord, Plünderei und Verschleppung zu vermeiden, wie Aktivistinnen und Aktivisten vermuten? Ob strahlende Museumspreziosen oder fast vergessene Beutekunst-Trophäen: Viele Stücke sind plötzlich ins Fadenkreuz der großen Weltpolitik geraten. 3sat zeigt die  Kulturdoku "Einmal Raubkunst und zurück" am Samstag, 13. Mai 2023, um 19.20 Uhr. Eine Langfassung (44 Minuten) ist bereits ab Sonntag, 30. April 2023, 10.00 Uhr, in der ZDFmediathek und in der 3satMediathek und am Sonntag, 30. April 2023, 0.35 Uhr, im ZDF zu sehen.

Dokumentation
Sa 13. Mai
19:20 Uhr

Restitution ist politisch gewollt, betonen Politikerinnen wie Annalena Baerbock und Claudia Roth auf Reisen in ehemalige Kolonien. Noch vor wenigen Jahren schien es undenkbar: Deutschland gibt einen Großteil der umstrittenen Benin-Bronzen zurück nach Nigeria. Jahrelang hatte man juristisch argumentiert, warum die Bronzen trotz kolonialer Verbrechen "rechtmäßig" in Deutschland seien. Nun aber bestimmen verstärkt moralische Verpflichtungen das kulturpolitische Handeln. Leichter ist es trotzdem nicht geworden. So kritisieren Nachfahren nigerianischer Sklaven derzeit die aktuelle Rückgabe der weltweit hoch gehandelten Benin-Bronzen, da mit diesen Trophäen Kulturgüter nach Benin-City zurückkehren, die auf verbrecherischem Sklavenhandel beruhen. Wird also an einstige Täter restituiert? Wurden zu wenige Nachfahren von Betroffenen in die Restitutionsüberlegungen mit einbezogen?

Die Rückgabe von Raubkunst führt oft zu Streitigkeiten innerhalb der Länder, an die restituiert wird.  Denn an wen genau sollen die geraubten Kulturschätze zurückgegeben werden? An Nationalstaaten, deren willkürliche Grenzen oft selbst Folge des Kolonialismus sind? Oder an die Nachfahren traditioneller Herkunftskulturen innerhalb dieser Staaten, die einst konkrete Opfer kolonialer Übergriffe waren? An das heutige Namibia zum Beispiel oder an die Genozid-Opfer der Herero und Nama? An die Bundesrepublik Nigeria oder an den Oba von Benin-City? An die Republik Kamerun oder an den Fon der Nso, dessen königliche Vorfahren die Deutschen hinrichten ließen und dessen Königspalast sie niederbrannten und ausraubten? Die Debatten darum haben gerade erst begonnen. Welche Argumente sprechen trotzdem für die "Gebt alles zurück"-Forderungen der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy? Und was ist dran an den "Ihr verspielt das Welterbe"-Warnungen der Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin?

Die Kehrtwende in Sachen Raubkunst betrifft nicht nur den globalen Süden, sondern auch Europa: In aller Stille ringen Polen und Deutsche um die kostbaren Handschriften der "Berlinka" in Krakow - um Beethovens 8. Sinfonie, Schillers Doktorarbeit oder Humboldts einmalige Zeichnungen. Auch das einzige indigene Volk Europas, die Sámi im hohen Norden Skandinaviens, haben berechtigte Rückgabeforderungen. Und mitten im Krieg streiten die Ukraine und Russland vor holländischen Gerichten um das Skythen-Gold von der Krim, das 2014 in Amsterdam beschlagnahmt und seitdem an einem geheimen Ort "auf Eis" gelegt wurde. Russland, so heißt es in Kiew, sähe die Ukraine bis heute als eine Art Kolonie, der man weder die Souveränität noch ihre Kunstschätze zugestehen müsse.

Den downloadbaren Trailer (nach Login) finden Sie hier.

Hauptabteilung Kommunikation

Claudia Hustedt
hustedt.cwhatever@zdf.de
Mainz, 15. März 2023