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scobel - Mit Widersprüchen leben

Do 26. Jan
21:00 Uhr
Erstausstrahlung
Viele Menschen wollen Widersprüche in ihrem Denken und Handeln nicht wahrnehmen. Sie verachten sie wie die Doppelmoral in der Politik. Solche Paradoxien bieten aber Chancen für Veränderungen.

Widersprüche können ignoriert, geleugnet oder verdrängt werden. Gert Scobel diskutiert mit der Psychologin Astrid Schütz, dem Soziologen Aladin El-Mafaalani und dem Neurowissenschaftler Christian Ruff unter anderem darüber, wie wir mit Widersprüchen umgehen.

Widersprüche sind ein Bestandteil dieser Welt - sie gehören zum Leben. Die Frage ist nur: Wie gehen wir mit Ambivalenzen und Widersprüchen um? Und was folgt daraus für unsere Handlungen? Im Alltag ist das Phänomen der Widersprüchlichkeit weit verbreitet. So soll beispielsweise viel Fleisch angeboten werden, aber ohne Massentierhaltung. Oder es soll eine reichhaltige vegane Produktpalette vorhanden sein, jedoch ohne künstliche Zusatzstoffe und Verarbeitung. Nachhaltigkeit wird akzeptiert, solange sie nicht zu Verlust und Verzicht führt oder Einschränkungen zu erwarten sind.

Paradoxien sind ein Dauerthema sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben. Es gibt Paradoxien im persönlichen Bereich, ebenso in Organisationen, Institutionen und auf staatlicher Ebene. Wenn Gesetze oder Vereinbarungen, die eindeutig schienen, unterschiedlich ausgelegt und angewandt werden, entstehen bereits solche Paradoxien. Es verwundert also nicht, dass sich einige Forscher wie Psychologen, Mediziner, Juristen, Sozial- und Geisteswissenschaftler immer wieder mit verschiedenen Widersprüchen beschäftigen. Denn Paradoxien verdeutlichen Identitätsprobleme und gesellschaftliche Konflikte - und sie verhindern nicht selten angemessenes Handeln.

Die gute Nachricht ist, dass wir den inneren und äußeren Spannungsverhältnissen nicht ohnmächtig ausgeliefert sind. Ein Beispiel dafür ist, dass wir in der zwischenmenschlichen Kommunikation durch Doppelbotschaften nicht zwangsläufig krank werden. Denn in der Regel entwickeln wir in psychologischen Lernprozessen einige Fähigkeiten, um solche Paradoxien zu regulieren und den Konsequenzen zu entgehen.

Wie aber entsteht ein gelungener Umgang mit Paradoxien, etwa die sogenannte Ambiguitätstoleranz? Welche Kompetenzen sollten dafür gefördert werden? Sind individuelle Wahrnehmungen und kognitive Leistungen auch auf andere Systeme übertragbar? Oder unterliegen Gruppen und Nationen in ihren Widersprüchen weitaus komplexeren Strukturen und Mechanismen? Welche Funktionen haben Widersprüche für Demokratien, pluralistische Gesellschaften, Krieg und Frieden?

Diese und andere Fragen diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen:

Astrid Schütz ist Psychologin und erforscht Selbst- und Fremdwahrnehmung, soziale Interaktionen und emotionale Intelligenz. Sie ist Professorin für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg.

Aladin El-Mafaalani ist Soziologe und beschäftigt sich mit Widersprüchen in den Bereichen Bildung und Integration. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück.

Christian Ruff ist Neurowissenschaftler und hat in einer Studie untersucht, wie widersprüchliche Motive und kognitive Fähigkeiten das Gerechtigkeitsempfinden beeinflussen. Er ist Professor für Neuroökonomie an der Universität Zürich.

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