Im Ernst, Babyboomer?

Generationen im Konflikt
Film von Lilly Schlagnitweit
Sa 01. Jul
19:21 Uhr
(Erstsendung: 18.03.2023)
"Wir sind Boomer, ihr seid Lappen", schreibt ein Ü50-Kommentator im "Spiegel". "Ok, Boomer!", schallt es genervt von TikTok zurück. Hier die Jugend von heute, dort die von gestern.

Dazwischen viel Konfliktpotenzial. Die Generationen liegen im Clinch: Die Babyboomer, die diese Gesellschaft aufgebaut haben und das Ruder – noch – in der Hand halten. Und dann die "Gen Z", die ausbaden muss, was vorherige Generationen der Welt eingebrockt haben.

"Generation Greta" nennt Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann die um die Jahrtausendwende geborene "Generation Z" nach der Klimaaktivistin Greta Thunberg, die das Bild der jungen Generation wie wenige andere prägt. Für Hurrelmann steht fest: Selten waren junge Menschen so politisch interessiert wie heute. Irma Trommer, geboren 1996, ist eine der Aktivisten der "Letzten Generation".

Die Schauspielerin steht in Volkers Löschs Theaterstück "Recht auf Jugend" am Theater Bonn auf der Bühne, klebt sich aus Protest aber auch an Straßen fest. Für gute Ratschläge und Unwörter wie "Klimaterroristen" hat sie kein Verständnis: "Dann macht halt überhaupt irgendwas und versteht mal, dass wir keine Zeit mehr haben!"

Der Schüler und Journalist Leonard Geßner, geboren 2004, ist dagegen mit dem Label "Generation Greta" nicht einverstanden. Nur ein Bruchteil der Jugendlichen sei wirklich bei "Fridays for Future" aktiv. Ob jemand mit deren politischen Forderungen einverstanden sei, habe nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun. Auch die "Omas for Future" wollen ihre Enkelkinder im Kampf gegen die Klimakatastrophe nicht alleinlassen. Die Konfliktlinie läuft für sie nicht zwischen den Generationen, sondern zwischen Menschen, die die Zeichen der Zeit erkennen, und denen, die weiter gedankenlos auf ihren Privilegien beharren. Also doch nicht: ignorante Babyboomer auf der einen, besorgte "Gen Z" auf der anderen Seite?

Auf der Straße, in der Familie, am Arbeitsplatz - mit den Generationen treffen dennoch unterschiedliche Werte aufeinander. Psychologe Rüdiger Maas macht einen wesentlichen Unterschied bei der Einstellung zur Arbeit aus. Viele Unternehmer berichteten etwa von "Quiet Quitting" - Dienst nach Vorschrift: "Da sitzt dann eben der ältere Meister da, macht dann das Produkt fertig, während der Lehrling quasi schon weg ist." Den Jungen liegt ihre Work-Life-Balance am Herzen. Das stößt bei Älteren oft auf Unverständnis. Die 22-jährige Schweizerin Yaël Meier berät Unternehmen im Umgang mit der "Gen Z". Sie weiß: Ihre Generation kann Forderungen stellen, denn sie ist klein, der Nachwuchs also knapp.

Die "Gen Z" kann deshalb im Arbeitsleben einiges bewegen, in der Politik dagegen weniger. Die über 50-Jährigen sind so zahlreich, dass sie im Prinzip jeden Wahlausgang bestimmen können. Tracy Abenaa Osei-Tutu ist Aktivistin im Verein "Demokratische Stimme der Jugend e.V.". Sie fordert: Kinder und Jugendliche sollten ein gleichwertiger Teil der Demokratie sein. Eine Absenkung des Wahlalters etwa könnte helfen, politische Veränderungen in eine Richtung zu stoßen, die denen, deren Leben sie noch am längsten prägen werden, zugutekommt. Bundestagswahl also schon ab 16? Oder gar ab null Jahren, wie manche fordern?

Wie sehr bestimmen die Alten über die Zukunft der Jungen? Hat die Generation der Babyboomer den Nachfolge-Generationen die Welt als Scherbenhaufen hinterlassen, oder ist ein solcher Eindruck lediglich jugendlichen Ängsten geschuldet? Sind die Probleme, vor denen junge Menschen heute stehen, schwerwiegender als die Krisen von früher? Und verlaufen die Fronten wirklich zwischen Jung und Alt?

3sat
Dokumentation
Kultur: Beziehungen zwischen Generationen

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