Ingeborg Bachmann. Vom Unerhörten im Alltäglichen

Film von Barbara Frank
So 02. Jul
12:15 Uhr
Erstausstrahlung
Sie war das Gegenbild der deutschen Hausfrau, erste Medienautorin und wurde durch ihren frühen Tod zum Mythos: Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann starb 1973.

Im Angesicht eines neuen Kriegs mitten in Europa und der Erosion fest geglaubter Sicherheiten geht der Film Fragen nach, die ausgehend von Ingeborg Bachmann ins Heute führen. Autorinnen wie Anna Baar, Lydia Mischkulnig und Tara Meister spüren diesen Fragen nach.

Sind schreibende Frauen immer noch das "andere Geschlecht"? Wie schwierig ist es für Autorinnen in der Gegenwart, "Orte gesellschaftlich relevanten Sprechens" (Literaturkritikerin Daniela Strigl) einzunehmen? Welche Grenzen setzt die sogenannte Marktlogik den weiblichen Stimmen immer noch im Literaturbetrieb? Gibt es einen Einfluss von Bachmanns Sprachkritik, Literatur und Philosophie auf Gegenwartsautorinnen?

Ingeborg Bachmann hat als Jugendliche den Krieg bei Bombenangriffen auf Klagenfurt miterlebt und sich in mehreren Texten von unerhörter Aktualität mit der Fortschreibung des "Kriegs im Frieden", der auch nur ein "Krieg mit anderen Mitteln sei", auseinandergesetzt. So heißt es im Gedicht "Alle Tage": "Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt. Das Unerhörte ist alltäglich geworden." Krieg sickert nach Ansicht von Ingeborg Bachmann als Gewalt in unsere Sprache ein. "Wie wir Sprache verwenden, bedeutet auch, wie wir leben", meint dazu Bachmann-Expertin Barbara Agnese und stellt fest: "Wie Gewalt durch Sprache ausgeübt wird, zieht sich wie ein Roter Faden durch Ingeborg Bachmanns Werk."

"Das Kontinuum der Reflexion" (Germanist Hubert Lengauer) in Hinblick auf Leben und Werk dieser Ikone der Nachkriegsliteratur zeigt sich auf den Literaturbörsen der Gegenwart wie der Leipziger Buchmesse genauso wie in der aktuellen Ausstellung zum 50. Todestag. "Ingeborg Bachmann. Eine Hommage" im Literaturmuseum der österreichischen Nationalbibliothek in Wien ist Bachmanns Auseinandersetzung mit Krieg, Krankheit, Beziehungs- und Geschlechterverhältnissen gewidmet.

Voraussichtlich bis 2029 wird in der Bachmannforschungsstelle in Salzburg an einer Gesamtausgabe der Werke und Briefe gearbeitet. Was mit dieser Edition immer deutlicher sichtbar wird, ist die Verbindung von Leben und Schreiben einer großen Autorin, die auch eine große Philosophin war.

ORF/3sat
Dokumentation
Kultur: Literatur

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