Wiener Melange

Film von Kurt Mayer und Maria Seifert
So 09. Okt
12:08 Uhr
Erstausstrahlung
Wien ist multikulti: Das chinesische, das tschechisch-slowakische und ein junges jüdisches Wien ergeben eine gelungene Melange, die sich kein Barista besser ausdenken könnte.

Das Wiener Kaffeehaus ist schon traditionell der "Melange" verpflichtet. Inzwischen sind neue Zutaten im Spiel. Eine junge Generation "echter Wiener" tschechischer, slowakischer, jüdischer und chinesischer Abstammung prägt die Stadt mit ihren eigenen Lebensweisen.

Die Dokumentation "Wiener Melange" wirft einen kulinarisch-kritischen Blick hinter die Kulissen der unsichtbaren "Chinatown" am Naschmarkt, auf das jüdische Strandleben am Wiener Donaukanal und auf die tschechisch-slowakischen Traditionen in Schulen und Vereinen.

Der obere Naschmarkt im 5. Wiener Gemeindebezirk ist ein Hotspot der chinesischen Community Wiens geworden, die Chinesen in Wien sind gut organisiert. Es gibt eine Wiener Wochenzeitung in Mandarin, chinesische Friseure und Tischler, sogar Schulen und Vereine. Die Chinesen der zweiten und dritten Generation sind "echte Wiener", erkennbar am breiten Wiener Dialekt, den sie sprechen. Die Gettoisierung in einer "Chinatown" wollen sie nicht, auch wenn das dem Fremdenverkehr und manchen Geschäftszweigen förderlich wäre. Derzeit leben etwa 20.000 Chinesen offiziell in Wien. Die Dunkelziffer wird weit höher geschätzt. Dazu kommen in Wien geborene, die als Wiener zählen und nicht mehr in der Statistik aufscheinen.

Im 2. Bezirk flitzen kleine Buben in traditioneller Kleidung und typischem Haarschnitt auf ihren Elektrorollern durch enge Gassen. Ganze Familien mit breiten Hüten eilen zum Gebet in die zahllosen kleinen Bethäuser. Buch– und Diamantenhändler, Rabbiner und Taxifahrer, Schneider und Designer, Agnostiker und streng Orthodoxe aus allen Teilen Europas und aus Israel prägen Wien als multikulturelle Stadt.

Die Rückkehrer aus Israel und New York, die Juden aus Buchara, haben die Wiener Vorstadtmärkte über lange Zeit dominiert – und heute ist es keine ungetrübte Idylle. Die Schatten der Vergangenheit sind allgegenwärtig, interne Konflikte auch. Trotzdem: Es gibt eine neue lebendige jüdische Kultur auf der ehemaligen Mazzesinsel – dem heutigen 2. und 20. Bezirk.

Neni (Haya) Molcho wurde in Tel Aviv geboren. Ihr Name ist ein Akronym aus den Vornamen ihrer vier Söhne Nuriel, Elior, Nadiv, Ilan. 2009 gründete sie ihr erstes Restaurant am Naschmarkt. Heute ist sie europaweit tätig und beliefert Supermärkte mit ihren kulinarischen Kreationen. Ihr Sohn Nuriel Molcho ist am Naschmarkt als Hutmacher tätig. Er lässt die Zuschauer an seinem jüdischen Wien teilhaben.

Buchteln und Powidl - der böhmische Touch in der Wiener Kulinarik ist gemeinhin bekannt. Aber wer weiß schon, dass es Tschechen waren, die vor 100 Jahren den neuen Sport Volleyball nach Wien gebracht haben? Und das ist noch längst nicht alles: Tschechen und Slowaken engagieren sich auch in zahlreichen Vereinen, waren Bürgermeister und Finanzminister, bilden eine aktive Gemeinschaft und prägen Wien - ob in Sport, Kultur oder Bildung. Der Schulverein Komenský etwa betreibt seit 1872 zweisprachige Bildungseinrichtungen in Wien, vom Kindergarten über Volksschulen bis zum Gymnasium. Von jeher wird die Schauspielerei großgeschrieben: Jedes Komenský-Schulkind steht mindestens einmal im Jahr auf einer Bühne – und diese Leidenschaft spiegelt sich in den äußerst engagierten Theatervereinen wider.

ORF/3sat
Dokumentation
Gesellschaft: Alltagskultur

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