Unrecht und Widerstand - Romani Rose und die
Bürgerrechtsbewegung

Dokumentarfilm von Peter Nestler, Deutschland 2022
Mo 27. Mär
01:56 Uhr
Länge: 113 Minuten
Über acht Jahrzehnte haben deutsche Sinti und Roma Unrecht erfahren. Der Dokumentarfilm erzählt von der Familie von Romani Rose, ihrem Widerstand und ihrem Beharren auf Gerechtigkeit.

Es ist die leidvolle Geschichte einer Minderheit zwischen Trauma und Selbstbehauptung, die die gesamte Nachkriegszeit hindurch bis in die Gegenwart hinein Gewalt und behördliche Schikanen erlitt und nur dank der Bürgerrechtsbewegung Anerkennung erfuhr.

Im Zentrum des Dokumentarfilms von Peter Nestler stehen Romani Rose, seine Familie, Mitstreiterinnen und Mitstreiter.

13 nahe Verwandte der Roses wurden in den Lagern der Nazis umgebracht. Romani Roses Vater Oskar war damals untergetaucht und wurde von der Gestapo gesucht. Von seinem mutigen Handeln berichtet der Film ebenso wie von seinem vergeblichen Versuch, im April 1943 beim Münchner Kardinal Michael von Faulhaber um Schutz für die Verfolgten zu bitten, sowie von der riskanten Befreiung seines Bruders aus dem KZ Neckarelz.

Für Roma und Sinti, die den Völkermord überlebt hatten, waren Ausgrenzung, Armut und behördliche Schikanen Alltag. Der Porajmos, der Genozid an der Minderheit, wurde erst 1982 offiziell anerkannt. Peter Nestler beschreibt den langen Weg aus der Rechtlosigkeit und Diskriminierung in die Bürgerrechtsbewegung. Deren unermüdliches Engagement zeugt von Zivilcourage und Bürgersinn, vom entschiedenen Eintreten für das Miteinander diverser Kulturen und von zukunftsweisendem Demokratieverständnis.

Der Film arbeitet mit vielfältigem Archivmaterial sowie Kommentaren von Experten und wird zusammengehalten von dem Gespräch mit Romani Rose über seine Familiengeschichte und seine Erfahrungen als Bürgerrechtler. Nestler drehte bereits 1970 "Att vara zigenare" ("Zigeuner sein") für das schwedische Fernsehen. Damals war es der erste Film, der nicht über die Minderheit sprach, sondern die Menschen selbst zu Wort kommen ließ. Nestler zeigt nun, 52 Jahre später, in "Unrecht und Widerstand", wie hartnäckig sich Vorurteile und Feindbilder gegenüber der Minderheit der Sinti und Roma in der bundesrepublikanischen Geschichte gehalten haben.

Im Rahmen der Arbeit an "Unrecht und Widerstand" entstand auch der Film "Der offene Blick - Künstler und Künstlerinnen der Sinti und Roma".

Peter Nestler über die beiden Filme: "In den Sechzigerjahren habe ich von diesem ständigen Unrecht erfahren, wurde darauf aufmerksam gemacht, vor allem durch die Werke des Malers Otto Pankok, den ich 1965 kennenlernte, und durch die soziale Arbeit von Birgitta Wolf, durch die Schriften von Hermann Langbein, der im Auschwitzprozess einer der Hauptzeugen war. Ich erfuhr von der ununterbrochenen Diskriminierung der Minderheit in Deutschland und Österreich, in der sich alles um den Wiederaufbau drehte, um wirtschaftlichen Aufstieg. Die Kriegsverbrechen wurden ad acta gelegt, und die viele Täter, einstige SS-Angehörige und Kriminalpolizisten, wie auch die 'Rassehygieneforscher', kehrten in ihre Ämter und Positionen zurück, betrieben jahrzehntelang weitere Diskriminierung und Ausgrenzung der Sinti und Roma.

1970 machte ich den Film 'Zigeuner sein', der Menschen der Minderheit zu Wort kommen ließ. Die neuen Filme, 'Unrecht und Widerstand' und 'Der offene Blick', sind eine umfangreiche Bestandsaufnahme aus der Gegenwartsperspektive mit Beiträgen von Menschen der Minderheit, den Nachkommen der Überlebenden, den Historikern, die sich mit dem tief verwurzelten Antiziganismus befassen (sich engagieren!), mit Poeten, Musikern, Fotografen und Filmemachern, Journalisten. Was hat sich geändert, ist besser geworden seit den Nachkriegsjahren, und was droht, schlecht zu bleiben? Das sind die Bausteine der Filme, die wir, das Team zusammengesetzt haben. Das und nichts anderes."

Peter Nestler, Jahrgang 1937, zählt seit den 1960er-Jahren zu den bekanntesten deutschen Dokumentarfilmregisseuren.‎ Er lebt seit den 1970er-Jahren in Schweden, hat aber weiter für deutsche Sender und das schwedische Fernsehen Dokumentarfilme realisiert. Zuletzt hat er für das Museum Ludwig den Film "Picasso in Vallauris" (2021) gedreht, zuvor für ZDF/3sat die Filme "Flucht" (2000), "Die Verwandlung des guten Nachbarn" (2001) und "Fremde Kinder: Mit der Musik groß werden" (2003).

"Unrecht und Widerstand" erhält den Grimme-Preis 2023 in der Kategorie "Information und Kultur". Der Film leiste "einen wichtigen und instruktiven Beitrag zur Chronik bundesdeutscher Geschichte, füllt eine nicht zu akzeptierende Leerstelle und trägt zu aktuellen geschichtswissenschaftlichen Debatten bei", so die Jury in ihrer Begründung am 21. März 2023. Bereits im Jahr zuvor war der Film mit dem 3sat-Dokumentarfilmpreis 2022 ausgezeichnet worden.

3sat
Dokumentarfilm
Zeitgeschichte ab 1989

Erweiterte Bildfunktionen im ZDF Programmdienst