Die Selfie-Story - Vom Selbstporträt zur Ego-Sucht
Film von Lars Hering
Das Selfie – ein Massenphänomen unseres digitalen Zeitalters. Aber wie hat es sich entwickelt? Und was steckt eigentlich hinter dem niedlichen "Duckface"? Seinen Ursprung hat das Selfie in der Kunstgeschichte. Stand zu Beginn vor allem die kritische Auseinandersetzung mit dem Selbst und der Welt im Fokus, sagen viele der Millionen von Selfies aus den Sozialen Medien heute kaum mehr aus als: "Alle Augen auf mich!"
19:20 Uhr
Nicht alle Selfies sind nur ein stummer Schrei nach Aufmerksamkeit, einige sind Ausdruck einer psychischen Krankheit, ein erster Versuch, sich wieder mit dem eigenen Ich anzufreunden. Andere sind Zeugnisse gesellschaftlicher Missstände. Im Jahr 2012 zählt das "Time Magazine" den Begriff "Selfie" zu den Top-10-Schlagwörtern des Jahres, da er zu einem gebräuchlichen Begriff für die Beschreibung eines Selbstporträts geworden sei. Wie werden Selfies durch Promis, Influencerinnen und Influencer oder Künstlerinnen und Künstler verwendet? Und was bedeutet das Selfie für junge Menschen und die Interaktion in den sozialen Medien?
Die Kulturdokumentation geht weit zurück in die Kunstgeschichte, zu den Ursprüngen des Selfies: Albrecht Dürers "Selbstbildnis im Pelzrock" war im Jahr 1509 eine Revolution. So hat sich noch nie ein Künstler zu präsentieren gewagt: geradeheraus, ernsthaften Blicks, mit sorgsam gelockten Haaren und fein gezwirbeltem Schnurrbart. Etliche Künstler ließen sich nachfolgend von Dürer inspirieren – 1839 mit einer Fotografie von Robert Cornelius, dessen Selfie als erstes Selbstbildnis der Fotografie anerkannt ist. Durch den technischen Fortschritt wird die Produktion und Verbreitung des eigenen Ichs rasant beschleunigt: Das Selbstbildnis gehört inzwischen fest in den Kanon künstlerischer Produktion in großen Ausstellungshäusern.
Auch Nicht-Künstler sind heute Experten für die eigene Selbstdarstellung geworden: Ihre Pinsel und Leinwand sind Handykamera, Filter und Apps. Einige bilden sich damit nicht mehr "nur" selbst ab, sondern entwerfen ein neues Bild von sich mit diesen Utensilien – und erhöhen sich damit zum "Übermensch". Sie sind auf den Bildern so perfekt, wie es in natura kaum möglich ist. Erliegen wir als Gesellschaft heute der gleichen Selbst-Überhöhung wie damals schon Albrecht Dürer, bloß 500 Jahre später?
Die Kulturdokumentation "Die Selfie-Story – Vom Selbstporträt zur Ego-Sucht" fragt nach der kulturellen und gesellschaftlichen Bedeutung des Selfies und taucht dabei in zahlreiche Dimensionen ein: vom historischen Gemälde zur zeitgenössischen Fotokunst, von der Alltagsfreude zur psychischen Entfremdung, vom Massenphänomen zum Individuum. Welches Bedürfnis steckt in dem Akt, sich selbst darzustellen?
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Christina Betkebetke.cwhatever@zdf.de
Mainz, 18. Juni 2024