
3sat zeigt die Doku "Europas missbrauchte Kinder"
Ein Film von Karin Bauer
Als Kinder wurden sie Opfer von Missbrauch durch den Staat, die Kirche oder die eigenen Eltern. Heute kämpfen sie dafür, ein normales Leben führen zu können und Gerechtigkeit zu erfahren. Die Rumänin Sarmanca Fekete hat einen Kinder-Gulag im Kommunismus überlebt, der Deutsche Karl Haucke wurde von einem katholischen Priester vergewaltigt. Der Schweizer Guido Fluri kämpft dafür, dass die EU solche Missbräuche nach dem Modell der Schweizer aufarbeitet.
20:15 Uhr
Karl Haucke ist heute 72 Jahre alt. Als Teenager wurde er von einem katholischen Priester im Internat missbraucht. Fast 60 Jahre lang verdrängte Karl seine Vergangenheit – bis 2010 eine Welle von Missbrauchsfällen die katholische Kirche in Deutschland erschütterte. Seither befindet sich der Kölner auf Berg- und Talfahrt: Nach einem Selbstmordversuch verbringt er 18 Monate in der Psychiatrie, seither verarbeitet er seinen Missbrauch als Aktivist für Kinderrechte.
Derweil die katholische Kirche den systematischen Missbrauch mehr schlecht als recht aufarbeitet, passiert in Rumänien: nichts. Dabei sorgten die Bilder der wie Tiere dahinvegetierenden, mit Exkrementen beschmierten Heimkindern vor 33 Jahren weltweit für Entsetzen. Sie waren die Opfer des wahnwitzigen Plans von Diktator Nicolae Ceaușescu, eine neue kommunistische Gesellschaft zu schaffen, in dem jede Frau vier Kinder gebären sollte. Kinder, die als schwach oder krank galten, wurden in Heime abgeschoben - faktisch waren es Todeslager.
Die 38-jährige Sarmanca Fekete ist eine der wenigen, die den Kinder-Gulag von Cighid überlebt hat. Von Psychotherapie hat sie noch nie etwas gehört. Die wegen der Unterernährung nur 1,45 Meter große Frau sagt, einzig ihre zwei Kinder würden sie am Leben erhalten.
Auf den Spuren von Sarmancas Vergangenheit führt der Film in das heute verlassene Schloss, in dem die Kinder untergebracht waren. Die damalige Leiterin des Todeslagers arbeitet noch heute als Ärztin. Auch über 30 Jahre nach dem Fall des Kommunismus wurde sie weder angeklagt noch verurteilt. Sarmanca aber schöpft Hoffnung, als der Schweizer Multimillionär Guido Fluri sie einlädt, als Zeugin vor dem Europarat in Straßburg auszusagen.
Fluri ist von der eigenen Geschichte getrieben: Auch er war ein Heimkind, Sohn einer schizophrenen Mutter. Der gelernte Tankwart hat es durch Immobiliendeals zum Multimillionär gebracht. Seine Vergangenheit aber vergisst er nie. In der Schweiz war Fluri der Treiber hinter der Wiedergutmachungsinitiative: Der Staat musste sich bei den sogenannten Verdingkindern entschuldigen und Entschädigungen bezahlen.
Fluris Mission: Gesetze nach dem Modell der Schweiz in EU-Ländern durchbringen. Die Kamera begleitet ihn beim Werben für politische Unterstützung seiner Initiative im Europarat, bei Gesprächen mit Politikern und kirchlichen Würdeträgern, denen sich der Selfmademan heute noch unterlegen fühlt.
Wird Guido Fluri es schaffen, Sarmanca und Karl zu helfen?
Im Anschluss um 21.05 Uhr zeigt 3sat "Die evangelikale Welt der Läderachs - Züchtigung im Namen Gottes": Schwere Vorwürfe belasten Jürg Läderach, ehemaliger Patron der Schokoladenfabrik Läderach. An einer von ihm mitbegründeten Schule sollen in früheren Jahren Kinder gezüchtigt worden sein. In der Dokumentation sprechen die Kinder von damals erstmals über ihre Erlebnisse und belasten die ehemals Verantwortlichen.
Fotos zur Doku "Europas missbrauchte Kinder" finden Sie hier.