"Das Geheimnis der Meister": Interview mit dem Künstler Tim Ernst
Was hat Sie daran gereizt, an dem Format teilzunehmen?
Die Teilnahme an dem Format "Das Geheimnis der Meister" kam für mich ziemlich überraschend. Seit ein paar Jahren arbeite ich nicht nur als freischaffender Künstler, sondern auch einigermaßen regelmäßig im Wallraf-Richartz-Museum in Köln in der Erwachsenenbildung. Zusätzlich durfte ich für ein Projekt in der Restaurierungsabteilung des Hauses malpraktische Recherchen unterstützen. Es reizte mich immer schon, mich Werken unterschiedlicher Künstler auf tiefgründige, maltechnisch komplexe Weise zu nähern und Stilelemente in meine Malerei zu integrieren. Als ich dann angesprochen wurde, ob ich an dem mir gut bekannten Fernsehformat teilnehmen wolle, konnte ich das erst gar nicht fassen. Mir war sofort klar, dass das eine im Leben einmalige Gelegenheit ist. Ich brauchte keine Nacht, um über meine Antwort zu schlafen, wohlwissend, dass ich mich mit diesem Projekt aus meiner Komfortzone deutlich herausbewegen werde.
Welcher Künstler/welche Künstlerin hat Sie vor die größten Herausforderungen gestellt?
Jedes der fünf Kunstwerke hat mich auf seine ganz eigene Art und Weise technisch und emotional gefordert. Der enge Zeitrahmen, in dem ein jeweiliges Meisterwerk zu kopieren war, hat einen enormen Druck auf mich ausgeübt. Aber genau diese Herausforderung und die Notwendigkeit zu improvisieren – außerhalb meiner üblichen Routine – machen die Arbeit im Rahmen des "Geheimnis der Meister"-Formats so spannend. Besonders anspruchsvoll war es für mich, das Gemälde "Die Rasenbleiche" von Max Liebermann in seinen beiden Zuständen zu malen. Es gab grobe Informationen zum ersten Zustand des Bildes durch Röntgenbilder und Streiflichtaufnahmen. Letztlich musste ich aber die Wäscherin neu erfinden und habe mich dieser Tatsache mit meinem persönlichen Humor genährt. Ähnlich schwer war es, den Caspar David Friedrich nur vier Wochen vor Ende des Projekts zu malen. Die maltechnischen Herausforderungen einerseits und die vielen Details andererseits haben mich an meine persönlichen Grenzen gebracht.
Was waren die größten Überraschungsmomente?
Ein besonders schöner Moment für mich war, wie gut es geduftet hat im Atelier, als ich das Bild von Paula Modersohn-Becker gemalt habe. Paula hat für ihre besondere Maltechnik Lavendelöl in ihr Malmittel gemischt. Der typische Ölfarbengeruch meines Ateliers wurde überraschenderweise völlig von dem Geruch des Öls überdeckt. Es hat sich bei mir direkt ein Gefühl von Glück eingestellt, das ich nicht genauer beschreiben kann.
Auch bei Paul Klee gab es einen heftigen Überraschungsmoment, als ich verstanden habe, wie komplex die Technik wirklich ist, die er für den Goldfisch angewendet hat. Was auf den ersten Blick wie ein paar locker hingeworfene Farblinien aussieht, entpuppt sich als aufwendig aufgebaute Lasur-Malerei.
Gab es auch Momente der Enttäuschung?
Ja, davon gab es einige. Immer wieder bin ich unter Zeitdruck an maltechnische Grenzen gestoßen. Es gab Momente, da hätte ich das Bild, an dem ich gerade gearbeitet habe, am liebsten in die Tonne geschmissen. Aber dafür, es neu zu beginnen, gab es keinen Spielraum. Besonders gelitten habe ich bei der Kopie nach Angelika Kauffmann. Durch das notwendige Aufbringen eines Zwischenfirnisses hatte ich das Bild zu stark versiegelt und konnte keine weiteren Malschichten mehr aufbringen, die aber noch dringend nötig gewesen wären. Das war ein Schock. Auch der Versuch, den Alterungsprozess des Bildes durch das absichtliche Knicken der Leinwand und die dadurch entstehenden Risse zu simulieren, war letztlich ungenügend. Aber am Ende gehören für mich bei allen meinen Kopien diese Momente der Enttäuschung mit dazu. Ich nähere mich einem Hauptwerk eines unbestrittenen Meisters in kürzester Zeit. Wenn ich in dieser Zeit einfach perfekte Kopien liefern könnte, wäre das mehr als verwunderlich.
Gab es Geheimnisse, die das Team nicht lüften konnte?
Das Team hat mich schon sehr versiert unterstützt. Es wäre toll gewesen, wenn das Röntgenbild die Wäscherin bei Max Liebermann genauer hätte zeigen können. Das hätte es mir einfacher gemacht. Allerdings war ich so gezwungen, aus der Not eine Tugend zu machen und habe dabei letztlich meinen Spaß gehabt.
Welches der fünf Werke würden Sie gerne bei sich zu Hause aufhängen und warum?
Mein klares Lieblingswerk ist "Kreidefelsen auf Rügen" von Caspar David Friedrich. Ich fühle mich ihm als Maler sehr verbunden und habe Zitate aus seinen Werken schon seit vielen Jahren in meinen eigenen Gemälden untergebracht. Ich ziehe zutiefst den Hut vor ihm und bin sehr dankbar, dass durch die Kopie seines Werkes in einen engen Dialog mit ihm treten durfte. Diese Erfahrung wird mich ein Leben lang begleiten.
Den Goldfisch von Paul Klee, den mag ich aber auch verdammt gern. Beide Werke würde ich sofort bei mir zu Hause aufhängen.
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Mainz, 31. Mai 2024