Kafka, Büchner und die Bibel: Große Geschichten der Weltliteratur kurz und zeitgemäß
3sat zeigt drei neue Filme in der Reihe "KlassiXS – die großen Dramen in jungen Kurzfilmen" in Erstausstrahlung
Die größten Geschichten der Weltliteratur sind im Grunde ganz einfach. Was sie allerdings auszeichnet, ist ihre besondere, überzeitliche Tiefe. Sie erzählen von der Conditio humana in ihrer jeweiligen Zeit und weisen durch ihre poetische Wahrheit zugleich weit darüber hinaus. Immer wieder inspirieren diese Stoffe daher zu bewegenden Neuinterpretationen. Vor diesem Hintergrund sind im Rahmen einer Kooperation von 3sat und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf mehrere Kurzspielfilme entstanden, die sich unterschiedlichsten Klassikern auf ganz eigene Weise neu und eigenständig nähern. In der Reihe "KlassiXS – die großen Dramen in jungen Kurzfilmen" zeigt 3sat nun am Samstag, 9. Dezember 2023, ab 21.30 Uhr drei herausragende neue Arbeiten junger Filmemacher*innen, die alle an Deutschlands größter Filmhochschule ausgebildet wurden. Die Kooperation von 3sat und der Filmuniversität besteht seit 2018 und hat seither in jedem Jahr außergewöhnliche Produktionen von engagierten Nachwuchstalenten hervorgebracht. Für 2023 wurden innovative Filmideen gesucht, die sich in einer Sendelänge von maximal 30 Minuten mit dem übergeordneten Thema "Stolz und Vorurteil" beschäftigen. Die Wahl der Jury, bestehend aus Vertreter*innen der 3sat-Koordination, der ZDF-Redaktion Musik & Theater sowie Lehrenden der Filmuniversität, fiel auf drei Projekte: "Kruste" von Jens Kevin Georg nach der berühmten Erzählung "Die Verwandlung" von Franz Kafka, "Nichts ist schön" von Maximilian Martin nach Georg Büchners Drama "Leonce und Lena" und "Labsal" von Sarang Myeong auf der Basis der biblischen Erzählung von Adam und Eva sowie dem altorientalischen Lilith-Mythos. Alle drei Filme stehen ab Samstag, 9. Dezember 2023, 10.00 Uhr, auch in der 3satMediathek unter www.3sat.de.
21:30 Uhr
Eröffnet wird die Reihe "KlassiXS – die großen Dramen in jungen Kurzfilmen" um 21.30 Uhr von "Kruste". Frei nach Franz Kafkas "Die Verwandlung" aus dem Jahr 1915 setzt sich Jens Kevin Georg mit großer erzählerischer Kraft als Regisseur und Drehbuchautor mit Fragen der Identität und dem Wunsch nach Zugehörigkeit und Anerkennung auseinander. Aus Kafkas Protagonisten Gregor Samsa wird hier der zwölfjährige Fabi (Philip Moishe Kapell), der sich endlich als vollwertiges Mitglied seiner Familie beweisen möchte. Von der wird allerdings nur akzeptiert, wer zumindest eine erste, richtige Wunde, die dann zu einer Narbe verkrustet, vorweisen kann. Fabi ist immer noch narbenlos und damit aus Sicht seines Vaters (Sven Hönig) und Großvaters (Heinz Wanitschek) längst überfällig. Im Laufe der gerade begonnenen Sommerferien soll dieser Zustand endlich ein Ende haben. Fabi ist jedoch unsicher, ob er sich wirklich eine entsprechende Verletzung zuziehen möchte. Seine achtjährige Schwester Bea (Luise Landau) hat derweil deutlich weniger Probleme mit dieser sehr besonderen Familientradition. Als Fabi schließlich vor eine waghalsige Herausforderung gestellt wird, muss er sich entscheiden.
Um 21.55 Uhr folgt "Nichts ist schön" von Maximilian Martin. Der humorvolle und zugleich melancholische Film des jungen Regisseurs und Drehbuchautors überträgt das Lebensgefühl von Georg Büchners 1826 veröffentlichtem satirischen Theaterstück "Leonce und Lena" in die 20er-Jahre unseres Jahrhunderts. In Büchners fast 200 Jahre altem Klassiker laufen zwei Königskinder vor ihren jeweils arrangierten Hochzeiten davon. Als sich ihre Fluchtwege kreuzen, verlieben sie sich ineinander. In Martins humorvoller Neuinterpretation bricht die junge Leonie (Julia Müller) aus der Langeweile ihrer kleinen brandenburgischen Heimatstadt aus. Hals über Kopf haut sie mit ihrer besten Freundin Valeria (Elena Herzog) Richtung Italien ab. Dort wollen die beiden das „dolce vita“ genießen. Unterwegs platzt plötzlich Lena (Nicole Widera) in Leonies Leben. Auch sie befindet sich auf der Flucht. Doch sie läuft nicht vor der Langeweile davon, sondern vor der eigenen Hochzeit. Die jungen Frauen schließen sich zusammen und reisen gemeinsam weiter. Bald müssen sie feststellen, dass ihre scheinbar ungleichen Schicksale mehr miteinander zu tun haben als zunächst vermutet.
Bildstark und erfrischend eigenwillig adaptiert Sarang Myeong ab 22.25 Uhr in "Labsal" die Geschichte von Adam und Eva. Dabei verbindet die Filmemacherin die Erzählung aus dem 1. Buch Mose mit dem uralten mesopotamischen Mythos von Lilith, der ebenfalls in der Bibel erwähnten, sogenannten ersten Frau Adams. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst die Frage: Was ist das Paradies? Eva (Dana Herfurth) und ihr Freund Adam (Karl Seibt) geben da unterschiedliche Antworten. Adam betreibt in Berlin einen stylischen, aber ziemlich düsteren Club namens "Eden". Rein dürfen hier nur diejenigen, die den Vorstellungen des Chefs entsprechen. Eva fühlt sich durch diese starren Grenzen und Regeln zunehmend eingeengt. Außerdem will sie wissen, was sich im Kern des Etablissements, einem riesigen Wasserbecken, verbirgt. Obwohl Adams es untersagt hat, taucht sie hinab und gelangt dadurch in ein völlig anderes "Eden". Dort trifft sie auf Lilith (Sarang Myeong), die ihr hilft, sich von ihren inneren Zwängen und ihrer Scham zu befreien. Schließlich greift Eva buchstäblich nach der verbotenen Frucht der Erkenntnis.
Fotos zur 3sat-Reihe "KlassiXS – die großen Dramen in jungen Kurzfilmen" finden Sie hier.