Mit dem Zug durch den Norden Polens

Film von Kristin Siebert
Mi 17. Jul
02:35 Uhr
(Erstsendung: 06.10.2019)
Die Polen nennen ihren Bummelzug liebevoll "Rybak", zu Deutsch: "der Fischer". Mit ihm unternimmt das Filmteam eine Entdeckungsreise quer durch den Norden Polens.

Zwölf Stunden, von Stettin im Westen bis nach Bialystok im Osten. Der Zug durchquert Hinterpommern, das verträumte Kaschubenland, streift die weite, wilde Ostseeküste mit ihrer berühmten Dreistadt am Meer: den Seebädern Gdynia, Sopot, Danzig.

Anschließend geht es weiter durch die magischen Masuren mit ihren mehr als 3000 tiefblauen Seen. In den Wäldern Westpreußens streifen Luchse, Elche, Wölfe und die letzten europäischen Bisons durch die Wildnis. 300 Jahre alte riesige Eichen spenden Schatten. Eine Familie züchtet auf geheimen Plantagen im Wald aromatische Halme, die später im Wodka landen: das Büffelgras.

Das Filmteam begegnet auch einer heilenden Flüsterin. "Flüsterhexen", auf Polnisch "Szeptuchas", haben in Regionen wie dem orthodox geprägten Podlachien regen Zulauf. Die 91-jährige Anna Bondaruk ist eine von ihnen.

Tief im Osten, in der Nähe der Endstation Białystok, verbirgt sich eine Zeitkapsel aus der Zarenzeit in einem der letzten ursprünglichen Wälder Europas: der Białowieża-Nationalpark. Er war einst das Lieblingsjagdrevier des letzten russischen Zaren Nikolaus II.

Die Zeitreise mit dem Zug macht Michal Drynkowski möglich. Der Schreiner investierte in das historische Zaren-Bahnhofsgebäude, in alte Schlaf- und Salonwagen, um sie in ein Gourmetrestaurant zu verwandeln. Dabei machte er eine Entdeckung: Er kaufte "aus Versehen" aus DDR-Beständen den von Ferdinand Porsche designten Waggon von Adolf Hitler.

Im Zug trifft das Filmteam auf Roswitha Poschmann. In den 1940er-Jahren wurde sie in Leba geboren und musste wie viele andere Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg flüchten. Auf der berühmten 40 Meter hohen Lontzkedüne belieferte ihr Vater, als "fliegender Bäcker" bekannt, eine Segelflugschule mit frischen Brötchen. Inzwischen hat die polnische Familie Wieckowska die alte deutsche Bäckerei übernommen und Roswitha zu einer Erinnerungsreise in die ehemalige Backstube ihres Vaters eingeladen.

Dann gibt es noch ein Treffen mit dem kaschubischen Bootsbauer Jacek Struck. Er ist einer von zwei Bootsbauern weltweit, die noch wissen, wie man die traditionellen Pommernboote baut.

Piotr Sobaczyński sucht an einem der Hotspots auf der Frischen Nehrung nach dem "baltischen Gold" - Bernstein. Eine kleine Sensation: Dort wurde schon ein in Bernstein eingeschlossener Vogel entdeckt. Ein geheimnisvoller Zeuge aus Zeiten, lange bevor die Menschen die Erde betraten.

Weiter geht es mit einem zugereisten Polen auf Spurensuche: Eine einsame Halbinsel in den Masuren beherbergt Wildpferde. Der aus Mali stammende Mamadou Bah lebt seit 30 Jahren in Polen und hat dort seine Heimat gefunden. Er ist Direktor der zoologischen Zucht- und Forschungsstation Popielno. Die letzten europäischen Wildpferde werden dort wieder gezüchtet und ausgewildert.

Das Filmteam lernt auch Menschen kennen, die nie aus der Region wegwollten. Im ehemaligen Ostpreußen, im Ermland, lebten Deutsche zu Zeiten des Kommunismus als unbehelligte Minderheit. Menschen wie Paul Gollan. Mit seinen 85 Jahren schwingt sich Paul auch heute noch beherzt auf seinen Mähdrescher. Der Hof mit seinen Rindern, Milchkühen und Schafen muss schließlich bewirtschaftet werden.

Auf seiner Reise durch den Norden Polens entdeckte das Filmteam malerische Landschaften und traf Menschen, die stets Neues versuchen in einem Land, das eine geschichtsträchtige Vergangenheit und Aufbruchsstimmung vereint.

ARD/NDR
Dokumentation
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