Verbrechen im Wahn

Film von Simon Christen und Thomas Vogel
Mi 24. Jan
20:15 Uhr
(Erstsendung: 19.01.2023)
Eine Rentnerin ersticht ein Kind. Ein Student prügelt seinen Kollegen tot. In beiden Fällen erscheinen die Motive absurd. Sind sie wahnsinnig? Und wie erkennt man Wahnsinnige frühzeitig?

Wie kann man sie stoppen? Wie kann man ihre Taten verhindern? Und wie sind ihre Taten juristisch zu beurteilen? Denn wer im Wahn handelt, ist möglicherweise nicht schuldfähig.

2019 ersticht die damals 75-jährige Alice F. in Basel einen Schuljungen. Anschließend schreibt sie eine SMS an verschiedene Bekannte: "Hoi ihr Lieben, habe ein Kind getötet, damit ich mein Recht zurückbekomme, stelle ich mich der Polizei und übernehme die Verantwortung, sofern ich nicht als Staatsfeind umgebracht werde." Der Tat vorausgegangen sind rund 40 Jahre Querulantentum mit zahlreichen Drohungen. Der psychiatrische Gutachter bezeichnet sie als schuldunfähig: Sie habe im Wahn gehandelt.

Das bringt auch Bennet S. vor. Der Sohn eines vermögenden Galeristen hat 2014 seinen Kollegen Alex M. auf brutale Art und Weise getötet. Ein Drogenmix aus Kokain und Ketamin soll dazu geführt haben, dass ihm sein Kollege als Alien erschien, das ihn töten wollte. Ist er daher schuldunfähig? Die verschiedenen gerichtlichen Instanzen sind sich uneinig. Dass Bennet S. unter dem Einfluss von Drogen gewalttätig werden kann, wussten er und sein Umfeld. Er sei wegen der erhöhten Psychose-Gefahr ausdrücklich gewarnt worden, heißt es. Trotzdem kam es zur Tat.

Den Schweizer Behörden wurde spätestens mit dem "Fall Leibacher" klar, dass es ein Bedrohungsmanagement braucht. Das heißt: Es braucht griffige Instrumente, um Menschen, die drohen und potenziell gefährlich erscheinen, zu erkennen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was sie tun können, wenn jemand "nur" droht, aber noch nicht zur Tat geschritten ist. Es besteht nämlich auch die Gefahr, dass Menschen aus dem Verkehr gezogen werden, deren Verhalten nicht über eine Drohung hinausgeht.

Ist etwas passiert, muss sich die Justiz mit der Frage auseinandersetzen, ob diese Menschen schuldfähig sind. Es kann gerade für Hinterbliebene zur schier unerträglichen Situation kommen, dass die Täter gar nicht bestraft oder nur mit geringen Freiheitsstrafen belegt werden – weil sie im Wahn gehandelt haben. Aber wo fängt der Wahn aus juristischer Sicht an? Verschwörungstheorien können beispielsweise auch wahnhafte Züge beim Menschen annehmen. Wen müssen die Behörden dort aus dem Verkehr ziehen? Und wie wäre jemand zu bestrafen, der aufgrund eines "Verschwörungswahns" tötet?

SRF
Dokumentation
Gesellschaft: Verbrechen, Kriminalität

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