Sehen statt Hören

Vom Experiment zum Vorzeigemodell: Das Erfurter Inklusionsmoll

Magazin für Hörgeschädigte mit Untertiteln und
Gebärdensprache
Fr 10. Feb
11:44 Uhr
Moderation: Thomas Zander
(Erstsendung: 04.02.2023)
Vor fünf Jahren startete das Erfurter Inklusionsmodell: Nicht ein einzelner Schüler, sondern eine ganze Gruppe von hörgeschädigten Kindern lernt gemeinsam mit Hörenden an einer Regelschule.

"Sehen statt Hören" hat die Anfänge gefilmt - und hat jetzt nachgeschaut, was aus diesem in Deutschland einmaligem Modell geworden ist. Hat es sich bewährt?

Angefangen hat alles 2017: Eine Gruppe von Eltern suchte nach einer Schule, die bereit war, sich auf ein Experiment einzulassen. Statt Einzelinklusion mit Gebärdensprachdolmetscher sollte eine ganze Gruppe von hörgeschädigten Kindern in eine Regelklasse integriert werden. Der Unterricht sollte dabei nicht nur in Deutsch, sondern auch in Gebärdensprache stattfinden. Es gab letztlich eine einzige Schule, die sich bereit erklärt hat: die Erfurter Gemeinschaftsschule "Am Roten Berg". Und auch heute noch ist sie die einzige, die diesen Weg gegangen ist.

Für viele Eltern hörbehinderter Kinder ist die Schule "Am Roten Berg" seither die erste Wahl, wenn es um Inklusion geht. Es gibt sogar Familien, die extra nach Erfurt gezogen sind, damit ihre Kinder hier zur Schule gehen können. In diesem Herbst startet nunmehr die vierte Klasse mit gehörlosen, schwerhörigen und hörenden Schülern. Was macht sie so besonders? Der bilinguale Unterricht in Deutsch und Gebärdensprache.

An der Schule gibt es 16 hörbehinderte Kinder und 26 hörende Kinder. Sie verteilen sich auf zwei Räume – in einem lernen die Klassen 1 und 2 zusammen, im anderen Klasse 3 und 4. So können die Schüler Kontakt halten und die Lehrer flexibel hin und her wechseln.

Doch leider macht der Personalmangel auch vor der Schule "Am Roten Berg" nicht Halt: Von den drei Sonderpädagogen ist derzeit nur noch eine übrig, die DGS-kompetent ist. Die Zahl der Kinder hat sich jedoch verdreifacht. Trotzdem hält man in Erfurt am Konzept fest – momentan behilft man sich mit Dolmetschern. Die Lösung ist das jedoch nicht.

Und auch die Kinder sind mit der Situation nicht ganz glücklich. Denn die Lehrkräfte bringen Kontinuität, die Dolmetscher wechseln hingegen häufig.

Das Projekt läuft nun im vierten Jahr – das bedeutet, die ersten Schülerinnen und Schüler sind im Moment in der 4. Klasse. Die Kinder und deren Familien sind sehr zufrieden mit dem inklusiven Schulmodell. So wie Familie Löffelholz: Ihre Tochter Anna ist seit Anfang an mit dabei – für sie und ihre Bildung mussten die Eltern ringen, sich ständig erklären, jede Bewilligung wurde erkämpft. Ihr Sohn Julius wurde dieses Jahr eingeschult. Bei ihm ist alles sorgloser – das Inklusionsmodell ist anerkannt.

Doch die Familie und das Inklusionsprojekt stehen nun vor einer neuen Herausforderung: Im nächsten Jahr kommt der erste Jahrgang – und damit auch Tochter Anna - in die 5. Klasse. Und damit startet die erste weiterführende Jahrgangsstufe.

ARD/BR
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