Die Emojikalypse

Wie Bilder unsere Kultur verändern
Film von Lilly Schlagnitweit und Karsten Gravert
Sa 21. Jan
19:21 Uhr
(Erstsendung: 17.09.2022)
Emoticon verschickt:-) Seither verändert sich die Welt rasant in Richtung Post-Schrift-Gesellschaft. Droht mit den Zwinker-Smileys die Gefahr, dass Kommunikation immer trivialer wird?

Oder sind die vielen Memes, GIFs und Bildchen nicht ein Grund zur Freude, weil durch sie universeller, schneller und kreativer kommuniziert wird? Und was bedeutet diese Bilderschrift – Innovation oder kultureller Rückschritt?

Einer Umfrage zufolge nutzen allein bei den über 16-Jährigen 78 Prozent aller Deutschen Emojis. Dass wir mit Bildern kommunizieren, ist erst mal nicht neu. Davon zeugen auch die analogen Vorläufer der Emojis: Piktogramme im Alltag. Neu sind allerdings die Fülle der Bilder und ihre massenhafte Verwendung in der digitalen Kommunikation. Typograf Erik Spiekermann lässt das Emoji-Alphabet gar an Hieroglyphen denken. Entwickelt sich hier eine neue Bilderschrift?

Der Linguist Florian Busch hat in einer Studie die WhatsApp-Kommunikation bei Jugendlichen untersucht. Bei der Auswahl des passenden Emojis werden dort eigene Regeln angewandt, je nach Absender und Empfänger. Die stehen allerdings in keinem Nachschlagewerk. Sind Missverständnisse also programmiert? Und wie schlagen sich beispielsweise Blinde durch, wenn sie an einem Großteil der bildhaften Kommunikation nicht teilnehmen können?

Wächter über die Emojis ist das Unicode-Konsortium mit Sitz in Kalifornien. Vorschläge für Emojis kann dort jeder einreichen. Doch obwohl die ganze Welt Emojis benutzt, bestimmt nur eine Handvoll Personen darüber, welche davon es neu auf die Smartphone-Tastaturen schaffen. In den vergangenen Jahren waren das unter anderem mehr verschiedene Hautfarben oder Beziehungskonstellation.

Jennifer Daniel, Vorsitzende des Unicode-Emoji-Komitees sagt, allen Wünschen nachzukommen, sei nicht möglich. Nicht nur, weil das den Platz auf den Geräten sprengen würde: Die Emojis müssten bestimmte Kriterien erfüllen, etwa möglichst vielseitig einsetzbar sein. Statt unendlich viele neue Emojis in den Unicode-Standard aufzunehmen, wünscht sich Daniel, dass User verschiede Emojis kombinieren und selbst kreativ werden.

Künstlerin und Emoji-Expertin Lilian Stolk hätte trotzdem gern, dass alle mitbestimmen können, was Teil unseres Emoji-Sprachschatzes wird und was nicht: "Warum war ein explizites Menstruationsemoji dem Konsortium zu spezifisch, eine Öllampe aber nicht? Warum gibt es einen Salzstreuer, aber keine Pfeffermühle?" Stolk hat einen Emoji-Voter entwickelt, mit dem jeder abstimmen kann: Brauchen wir dieses Emoji – oder nicht? Denn Emojis dienen nicht nur dem Spaß, sie können auch Repräsentation bedeuten.

Ebenfalls im Film zu Wort kommen: Ur-Emoticon-Erfinder Scott E. Fahlman, Emoji-Entwickler Shigetaka Kurita, dessen Werke heute im MoMA in New York hängen, die Kulturwissenschaftlerin Gala Rebane, die Psychologin Wera Aretz, der Grafik-Designer O'Plérou Grebet sowie der Psychiater Manfred Spitzer.

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