Seilbahnen für die Stadt – Kann eine Alpen-Technologie
den ÖV retten?

Film von Sebastian Günther
(aus der Reihe "NZZ Format")
So 11. Dez
19:12 Uhr
(Erstsendung: 09.06.2022)
Seilbahnen kennen die meisten nur aus den Bergen. Doch Verkehrsexperten sagen schon lange, dass sie eine wichtige Ergänzung für den öffentlichen Nahverkehr sein könnten.

Statt unten im Stau zu stehen, einfach drüber hinwegschweben: Immer mehr Großstädte experimentieren jetzt damit und hoffen, mit der Alpen-Technologie ihre Verkehrswege besser zu vernetzen. "NZZ Format" berichtet über Seilbahnen im Kampf gegen den Verkehrskollaps.

Die vielleicht modernste Seilbahn der Alpen steht in Grindelwald und zeigt, was technisch heutzutage möglich ist. Nicht nur ist sie besonders windstabil und extrem schnell, sie beweist auch, wie beste Vernetzung aussehen kann: Im Tal steigt man direkt von der Eisenbahn in die Seilbahn um, und ist man oben auf dem Berg angekommen, geht es direkt weiter mit der Zahnradbahn aufs Jungfraujoch.

Berlin hatte 2017 zur Bundesgartenschau eine Seilbahn bekommen. Zwar führt diese über einen kleinen Hügel, der zwei Quartiere voneinander trennt. Doch die Chance einer echten urbanen Seilbahn haben die Stadtplanerinnen und -planer dort verpasst. An das Nahverkehrsnetz ist sie nur halbherzig angebunden und bleibt damit lediglich eine touristische Attraktion.

Anders sieht es in Toulouse aus. Dort scheint der Technologietransfer aus den Alpen in die Stadt funktioniert zu haben. In der viertgrößten Stadt Frankreichs ist gerade eine neue Seilbahn eingeweiht worden, die zwei Verkehrsknotenpunkte verbindet und dabei auch noch einen Berg und einen Fluss überquert. Weder Bus noch Tram wären angesichts dieser Topografie konkurrenzfähig.

Lateinamerika hat die weltweit größten Seilbahnnetzwerke im öffentlichen Nahverkehr. Mexiko baut seine Strecken gerade weiter aus. Denn knappe Kassen und beschränkter Platz lassen in den schnell und planlos gewachsenen Vorstädten kaum ein anderes Verkehrsmittel zu. Die bereits fertiggestellten Linien haben nicht nur die Verkehrslage verbessert, sondern in den umliegenden Bezirken auch die Wirtschaft angekurbelt und die Kriminalität zurückgedrängt.

In den Alpen wird derweil an der Seilbahn der Zukunft gearbeitet: Sie soll individuell und autonom fahren können. Die Firma Bartholet entwickelt für das Skigebiet Flims-Laax eine Seilbahn, bei der die Kabinen nicht mehr einfach aufgereiht sind wie an einer Perlenkette. Vielmehr steuert die Gondel genau die Station an, die der Fahrgast ausgewählt hat, während sie an anderen Stationen vorbeifährt. Erst diese neuen technischen Entwicklungen, verbunden mit altbewährter Technologie, machen Seilbahnen jetzt so attraktiv für Städte im Kampf gegen den Verkehrskollaps.

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