Frau. Leben. Freiheit?

Warum die Frauen im Iran so stark sind
Film von Theresa Breuer
Sa 11. Mär
19:21 Uhr
Erstausstrahlung
Die Revolte im Iran ist vor allem eine Revolte der Frauen. Dabei stehen die Protestierenden heute auf den Schultern ihrer mutigen Mütter und Großmütter. Haben die Proteste nun eine Chance?

Ein halbes Jahr nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini, der die aktuelle Protestwelle auslöste, erzählt die Dokumentation die Geschichte der widerständigen iranischen Frauen von den 1970er-Jahren bis heute und fragt nach der Zukunft der Revolte.

Trotz jahrzehntelanger Unterdrückung im frauenfeindlichen Mullah-Staat sind zwei äußerst gebildete, selbstbewusste und kämpferische Generationen iranischer Frauen herangewachsen. "Es hat nicht mit unserer Generation begonnen, sondern lange vorher. Und mit dem Wissen aus den Kämpfen der vorangegangenen Generationen machen wir jetzt weiter," sagt die Künstlerin Ghazal Abdollahi. Als Tochter aktivistischer Eltern lebt sie die Rebellion schon ihr Leben lang. Ihre Mutter ist eine politische Gefangene, deshalb musste Ghazal im November 2022 nach Deutschland fliehen. Dass die Bewegung nicht mehr zu stoppen ist, glaubt sie fest.

Sarah Doraghi, iranische Kulturjournalistin und Komikerin, lebt seit ihrem zehnten Lebensjahr im Pariser Exil. Vor wenigen Jahren hat sie das erste Mal wieder ihre Heimat besucht und sehnt sich seitdem an den Ort ihrer Kindheit im Iran zurück. Sie ist sich sicher: Die Diktatur ist angezählt, auch wenn ein halbes Jahr nach Jina Mahsa Aminis Tod die Proteste auf der Straße abgenommen haben: "Wir sind schließlich kein Kamikaze-Volk! Wir wollen nicht sterben. Aber wir werden kämpfen", sagt Sarah Doraghi. Sie fordert, dass Europa endlich handelt und die iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste setzt. Das Regime soll sehen, dass es nicht nur die Frauen, sondern die Welt gegen sich aufgebracht hat.

Der Brutalität etwas entgegenstellen, den Menschen ihre Würde zurückgeben, das will auch Soheila Sokhanvari. In London feiert die Künstlerin weibliche Ikonen aus der Zeit vor der Islamischen Revolution. Ihre Ausstellung "Rebel Rebel" im Londoner "Barbican Center" zeigt Sängerinnen und Tänzerinnen, rauchende Frauen, unverschleiert auf farbenfrohen Gemälden. Es sind alles Frauen, deren Leben sich durch die religiösen Fanatiker schlagartig änderte, wie Sokhanvari erzählt. Künstlerinnen, die berühmt waren und durch die Revolution verfolgt, inhaftiert und verstoßen wurden, weil sie alles repräsentierten, was die Islamisten verabscheuten. "Ich wollte diesen Frauen einen Tempel der Würdigung schenken und ihre Geschichten in die Welt tragen", so die Malerin.

Seit 1979 dürfen Frauen im Iran nicht mehr singen und tanzen. Auch die jüngere Generation will das nicht hinnehmen. Deshalb ist die Musikerin und schrille Performerin Dornika Kazerani nach Berlin ausgewandert. "Was ich tun wollte: tanzen, Musik, singen. Dinge, die ich im Iran nicht wirklich tun konnte", erzählt sie. Denn der Körper gehört im Iran nicht den Frauen selbst: "Unser Kampf gegen Diktatur ist der Kampf für die Freiheit des Körpers, aller Körper."

Die erste weibliche Revolution in der Geschichte - ist sie wirklich möglich?

Antworten darauf sucht die Dokumentation bei Künstlerinnen in ganz Europa. Es sind Frauen, deren Stimmen sich nur im Exil entfalten konnten - im Iran würde ihnen für ihre Arbeit Inhaftierung und Tod drohen. Der Unterdrückung des Mullah-Regimes in ihrem Heimatland setzen sie im Exil die Vielfalt entgegen, geben den Menschen im Iran eine Stimme. Sie sind laut für die, die es selbst nicht mehr sein können. Denn wer in diesen Tagen das Regime kritisiert, dem droht im Iran Folter, Knast, sogar die Todesstrafe.

Die Autorin der Kulturdokumentation Theresa Breuer, 36, arbeitet seit 2012 als Journalistin und Filmemacherin im Nahen Osten und Zentralasien. Ihre Arbeit fokussiert sich auf das Leben von Frauen in der Region. Im Iran fuhr sie mit jungen Iranerinnen mehrere Wochen per Anhalter durchs Land und hat eine Generation zwischen Sehnsucht und Aufbruchstimmung erlebt. In Teheran hat sie die aufstrebende Kunstszene porträtiert, die in Untergrund-Galerien die Toleranz der Sittenwächter auf die Probe gestellt haben. In Afghanistan hat Theresa Breuer zwei Jahre lang die ersten afghanischen Bergsteigerinnen begleitet bei ihrem Ziel, den höchsten Berg Afghanistans zu besteigen. Als die Taliban Afghanistan eingenommen haben, waren sie die ersten Frauen, denen Theresa Breuer bei der Flucht helfen wollte. Daraus ist die Initiative "Kabul Luftbrücke" entstanden, die seitdem 3000 Menschen nach Deutschland evakuiert hat.

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