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scobel - Traumata: Wunden der Seele

Do 02. Feb
21:01 Uhr
Erstausstrahlung
Immer mehr Kriegsgeflüchtete kommen nach Deutschland. Wie kann unsere Gesellschaft mit der Vielzahl traumatisierter Menschen umgehen, wenn zugleich ein Mangel an Therapieplätzen besteht?

Zu Gast bei Gert Scobel sind: Iris-Tatjana Kolassa, Professorin für Klinische und Biologische Psychologie, Amma Yeboah, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Frank Neuner, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie.

89,3 Millionen Menschen waren Ende 2021 weltweit auf der Flucht. Seit dem Ukrainekrieg stieg die Zahl auf rund 100 Millionen Geflüchtete. Krieg, Gewalt, Armut und die Folgen des Klimawandels zwingen die Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Experten schätzen, dass ein Drittel der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge massiv traumatisiert ist. Die Nationalakademie Leopoldina spricht von einer "globalen Krise der mentalen Gesundheit".

Eine wichtige Frage ist, wie Traumatisierung erkannt wird. Klassische Trauma-Symptome sind das Wiedererleben, das Vermeiden von Erinnerungsreizen, Veränderungen der Kognition und Stimmung. Dazu gehören Anzeichen wie Interessensverlust, Aggression, Gedächtnisprobleme oder ein sozialer und beruflicher Funktionsverlust.

Besteht der Verdacht auf eine traumatische Störung, entsteht die Frage nach dem Versorgungsangebot für Traumatherapie. Wie viele Therapieplätze gibt es derzeit, und wie viele müssten mindestens geschaffen werden? In Deutschland besteht seit Langem ein massives Versorgungsproblem an spezifischer Traumatherapie. Dabei zeigen Untersuchungen, dass eine zu spät einsetzende Therapie wertvolle Zeit vergeudet, die für den Erfolg und für spätere Integration - gerade bei Kindern – entscheidend ist. Denn die psychische Gesundheit kann nicht warten, der Schaden ist immens. Die meisten älteren Menschen, die heute immer noch von kriegstraumatischen Symptomen betroffen sind, waren während der Kriegstage und der Nachkriegszeit Kinder.

Über Diagnose, Auswirkungen und Therapie von traumatischen Erfahrungen spricht Gert Scobel mit diesen Gästen:

Iris-Tatjana Kolassa ist Professorin für Klinische und Biologische Psychologie sowie Psychologische Psychotherapeutin. Sie berichtet von biomolekularen Folgen von Stress und Trauma, den Therapien bei Traumafolgestörungen. Sie erklärt, was wir für unsere psychische Gesundheit tun können. Sie leitet die Psychotherapeutische Hochschulambulanz am Institut für Psychologie und Pädagogik an der Universität Ulm.

Amma Yeboah ist Psychodynamische Supervisorin, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit dem Schwerpunkt geschlechtersensible, psychiatrisch psychotherapeutische Versorgung. Sie forscht unter anderem zu den Folgen von Rassismus und Sexismus auf die psychische Gesundheit. Als Dozentin und Lehrbeauftragte an mehreren Universitäten fokussiert sie intersektionale Perspektiven in der Medizin und Psychotherapie.

Frank Neuner ist Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bielefeld. Neuner hat zusammen mit Dr. Maggie Schauer und Prof. Thomas Elbert die "Narrative Expositionstherapie" konzipiert und erprobt. Dank dieser Methode konnten bereits hunderte Kindersoldaten, Opfer politischer Gewalt und Kriegsflüchtlinge traumatische Erlebnisse bewältigen.

3sat
Gespräch/Diskussion
Gesellschaft: Gesellschaftliche Problematik /Soziale Brennpunkte

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