Werden wir immer dümmer?

Film von Florian Kröppel und Kurt Langbein
Mi 26. Okt
20:16 Uhr
Erstausstrahlung
Unser IQ wurde im 20. Jahrhundert immer höher. Dieser Trend hat in den vergangenen 30 Jahren deutlich abgenommen und scheint sich nun umzukehren. Werden wir also wieder dümmer?

Forscher wie Jakob Pietschnig sehen das differenzierter: "Wir passen uns bloß an!" Denn in unserem digitalen Alltag wird uns vieles an Denkleistung abgenommen. Kaum jemand muss sich noch an Straßenkarten orientieren – so übernimmt das Navi beispielsweise für uns.

Intelligente Kalender erinnern uns an Termine. Zudem scheint sich unsere Sprache – gesprochen wie geschrieben – in den vergangenen Jahrzehnten vereinfacht zu haben. Vielleicht stimmt es ja tatsächlich, dass unser Denkvermögen abnimmt?

Jakob Pietschnig ist einer der führenden Intelligenzforscher. Er arbeitet in Wien und hat sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt. "Meiner Meinung nach ist das zu einfach gedacht, dass die Digitalisierung im Allgemeinen unsere kognitiven Fähigkeiten verschlechtert. Das tut sie nicht, sondern sie ändert unsere kognitiven Fähigkeiten genauso wie das über die letzten paar 100 Jahre der Fall gewesen ist. Technische Neuerungen haben es notwendig gemacht, dass wir uns anpassen, und das tun wir auch jetzt."

Der Mensch passt sich also an. Über Jahrmillionen hat das dazu geführt, dass unser Hirn zum herausragendsten Organ wurde. Wie wichtig ist also die Intelligenz für unser Leben? Die Engländerin Rosalind Arden weiß, dass klügere Menschen auch länger und gesünder leben, dass sie besser bezahlt werden und sogar stabilere Partnerschaften haben. Das alles lässt sich anhand von sogenannten Kohortendaten herausfinden. Vor allem in den USA, aber auch in Schottland, wurden bei ganzen Jahrgängen bereits in den 1940er-Jahren Intelligenztests durchgeführt. Später konnte die Forschung auf diese Daten zurückgreifen und erheben, was aus den Menschen geworden ist.

Können wir also mit einem IQ-Test in die Zukunft unserer Kinder schauen? Hirnforscher wie Joachim Bauer warnen vor einem so verkürzten Intelligenzbegriff: "Nach unserem Verständnis davon, wie das Hirn und der Verstand besser arbeiten, scheint es so, als hätten wir eine Anzahl verschiedener 'Computer' in unseren Köpfen. Und jeder von ihnen verarbeitet unterschiedliche Arten von Informationen. Einer ist für Sprachen zuständig, einer für Musik, einer nimmt Distanzen wahr, einer registriert andere Menschen, einer die Natur. Wenn bei einem Menschen einer der Computer sehr gut ist, sagt das noch nichts darüber aus, wie die anderen Computer funktionieren."

Intelligenz hat vielleicht nicht nur Vorteile. Hochbegabte Kinder und Jugendliche, deren IQ 130 Punkte und mehr erreicht, sehen sich oft mit Problemen konfrontiert. Nicht selten wird beobachtet, dass diese Kinder das Lernen überhaupt verweigern.

Auch der achtjährige Andreas war mit seiner Schule nicht zufrieden. Zwei Jahre zuvor wurde bei ihm eine Hochbegabung diagnostiziert. Seine Mutter versucht seither, das Lernumfeld entsprechend anzupassen: "Andreas geht nun in eine neue Schule. Die Lehrerin dort hat sich bereits mit dem Phänomen der Hochbegabung auseinandergesetzt und kann besser auf ihn eingehen. Auch an der Freizeitgestaltung wollen wir etwas ändern." Andreas versucht sich nun im Bogenschießen und Schachspielen. Beide Sportarten fördern die Fokussierung und unterstützen den Jungen dabei, ruhiger zu werden. Denn es ist nicht nur die Intelligenz allein, die im Leben weiterhilft.

Das beweist auch eine Grazer Studie, die sich dem Themenfeld Liebe und Intelligenz gewidmet hat. Zwar wirken intelligente Menschen deutlich attraktiver auf den möglichen Partner. Allerdings hat man bei der Untersuchung herausgefunden, dass dieser Faktor allein eine subjektive Wahrnehmung ist und nichts mit der tatsächlichen Intelligenz der Menschen zu tun hat.

ORF/3sat
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