Kaminer Inside: Spanische Hofreitschule

Film von Nadja Kölling
Sa 07. Jan
19:21 Uhr
(Erstsendung: 10.10.2020)
Die Spanische Hofreitschule in Wien ist ein kulturelles Juwel Österreichs. Seit über 450 Jahren wird hier die Hohe Schule der klassischen Reitkunst in absoluter Perfektion gepflegt.

Das weiße Ballett, 70 prachtvolle weiße Lipizzanerhengste, residiert mitten in der Stadt. Ihre Bühne ist der schönste Reitsaal der Welt. Der Schriftsteller Wladimir Kaminer geht hinter den Kulissen dieser einmaligen Kulturinstitution auf eine spannende Entdeckungstour.

Mehr als 300 000 Besucher bewundern jedes Jahr die Künste der Hochleistungspferde in der barocken Winterreithalle im Michaelertrakt der Wiener Hofburg, erbaut unter Karl dem VI. im 18. Jahrhundert. Es ist ein fast mystischer Ort, der scheint, als sei er aus der Zeit gefallen. Tradition steht über allem an der Spanischen Hofreitschule: Von der Uniform bis zur Ausbildung, alles ist genau festgelegt und geregelt.

Wladimir Kaminer erhält exklusive Einblicke in die Abläufe an der "Spanischen", wie die Wiener zu sagen pflegen. Er ist unter anderem bei den ersten Sprungversuchen einer jungen Bereiteranwärterin - also einer Auszubildenden - dabei, trifft Gestütsleiter und Zuchtmeister, Oberbereiter und die Direktorin der Schule. Außerdem besucht er auch den Hutmacher, der die berühmten Zweispitze fertigt - genau so wie vor 200 Jahren.

Die Hohe Schule der Reitkunst, das ist Pferdedressur im höchsten Schwierigkeitsgrad. Die Tiere vollbringen die Übungen mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit. Unmerklich für den Zuschauer, auf Schenkeldruck, lassen die Bereiter ihr Pferd zu unglaublichen Sprüngen ansetzen. Die Wurzeln des klassischen Renaissanceprogramms reichen bis in die griechische Antike zurück. Seit 2016 gehört die Klassische Reitkunst der Spanischen Hofreitschule zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.

Hinter dem ganzen Glanz steckt harte Arbeit. Die Ausbildung ist anspruchsvoll, langwierig und streng hierarchisch, für die Pferde wie die Menschen. Rund acht bis zehn Jahre dauert die reiterliche Ausbildung vom Eleven zum Bereiter, die der Pferde meist sogar noch länger, nämlich mindestens zehn Jahre.

Vor vier Wochen wurde Elevin Paula Behrens zur sogenannten Bereiteranwärterin ernannt, ein großer Erfolg, denn rund 80 Prozent der Eleven scheitern auf ihrem Weg. Paula Behrens reitet seit ihrem siebten Lebensjahr, und trotzdem verbringt sie jetzt mindestens zwei Jahre an der Spanischen allein damit, den perfekten Sitz zu trainieren. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Ausbildung eines Junghengstes. Nur wenn sie es schafft, ihn für die Vorführungen zu schulen, kann sie selbst Bereiterin werden.

Das Wissen um die Hohe Schule der klassischen Reitkunst wird bis heute ausschließlich mündlich weitergegeben, von Generation zu Generation. Paulas Ausbilder Herbert Seiberl reitet schon seit 30 Jahren an der Spanischen, seit einem Jahr ist er Oberbereiter. Immer und immer wieder werden dieselben Bewegungsabläufe trainiert, bis zur Perfektion. Fast alle Bereiter besitzen auch noch ihre eigenen Pferde. Nach der Arbeit an der Spanischen fährt er nach Hause in seinen Stall. "Mein Beruf ist meine große Leidenschaft. Ein Leben ohne Pferde ist für mich nicht vorstellbar, schon seit Kindesbeinen ist das das Einzige, was ich immer wollte", sagt Seiberl.

Erst seit 2008 sind Frauen überhaupt zugelassen an der Spanischen Hofreitschule, 2016 wurde die erste Frau zur Bereiterin ernannt. Seit einem Jahr leitet Sonja Klima die Geschicke der altehrwürdigen Institution: "Traditionen sind wichtig und sollen auch beibehalten werden, aber diese Traditionen sollen auch in das nächste Jahrhundert geführt werden. Darum ist es sehr, sehr wichtig, dass hier auch Frauen Bereiterin werden dürfen oder Elevin, und das ist auch ein Schritt in die Zukunft."

Wladimir Kaminer reist auch in die Kinderstube der Lipizzaner – nach Piber in der Steiermark, zum Gestüt der Spanischen Hofreitschule. Gestütsleiter Erwin Movia führt ihn herum, zeigt ihm, wie die Pferde aufwachsen und trainieren – und weiht ihn ein in die Geheimnisse der Zucht. Die Lipizzaner bilden die älteste Kulturpferderasse der Welt und gelten als besonders lernwillig, intelligent und sensibel.

1580 ließ der österreichische Erzherzog Karl II. spanische Hengste mit dort heimischen schweren Karststuten anpaaren, damals noch im slowenischen Lipiza, daher stammt auch ihr Name. Über Jahrhunderte wurden sie züchterisch optimiert, bis heute. Noch immer werden die Zuchtbücher handschriftlich geführt, das älteste stammt aus dem Jahr 1729. Besonders herausragende Deckhengste werden regelmäßig aus Wien zurück nach Piber gebracht, um die Zucht weiter zu perfektionieren. Nur die talentiertesten Junghengste gehen dann zur Ausbildung nach Wien. Erwin Movia hat sein ganzes Leben den Lipizzanern verschrieben: "Wenn Du ihnen in die Augen schaust, kannst du in ihre Seele blicken", meint er.

3sat
Dokumentation
Kultur: Pferdesport/Reiten

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