3satDokumentarfilmzeit

Swimmingpool am Golan

Dokumentarfilm von Esther Zimmering,
Deutschland 2018
Mo 30. Jan
22:30 Uhr
Länge: 89 Minuten
Dokumentarfilmerin Esther Zimmering geht in Berlin und Israel auf die Suche nach den großen Ideen des Sozialismus, denen ihre Vorfahren gefolgt sind, und stößt auf Konflikte und Geheimnisse.

Die eine Hälfte der Familie baute sozialistische Kibbuzim mit auf, die andere Hälfte die DDR. Als die zwölfjährige Esther Zimmering begreift, dass sie mehr Verwandte hat als die bisher bekannten aus ihrer heimatlichen DDR, ist es um ihre Heimat schon geschehen.

Die Mauer fällt. Für Esther bringt die Wende zunächst wenig Angenehmes - auf einmal gibt es in ihrer Schule Neonazis. Seitdem wird Israel zu einem Sehnsuchtsort für sie, und ihre Cousinen und Cousins dort zu ihren Vorbildern.

Tagebuchartig begleitet der Film Esther Zimmerings Reise: zur Großmutter, die die Nazizeit in Berlin erlebte, zur Gründung zweier Staaten, an der Mitglieder ihrer Familie beteiligt waren, und schließlich in die Gegenwart, in der Esthers jugendliche Schwärmereien über Israel gründlich revidiert werden. Zwischendrin und narrativ geschickt miteinander verwoben, thematisiert Esther Zimmering, die als Autorin mit aufschlussreichem Super-8-Material aus dem Familienbesitz sowie mit zahlreichen historischen Tondokumenten und Fotos aus dem Vollen schöpfen kann, ebenso die grausigen Schatten der Shoah.

Ihre Großmutter Lizzi, geborene Meyer, gelangte 1939 mit dem letzten Kindertransport nach England und entging so der Vergasung in den NS-Vernichtungslagern Auschwitz und Riga, wo auch viele Familienmitglieder der Zimmerings ums Leben kamen. In England begegnete sie dem FDJ-Mitbegründer Josef Zimmering und heiratete ihn. 1945 kehrten sie zurück nach Ostdeutschland, in die Sowjetische Besatzungszone, und bauten dort die DDR zusammen auf.

Im Gegensatz zu Lizzi gelang ihrer Cousine Lore die Flucht nach Palästina. Dort heiratete sie den Zionisten Max Zimels, der als Gesandter für die Jewish Agency in Berlin noch Tausende von Juden nach Palästina retten konnte. Sie waren Mitbegründer Israels und lebten im Kibbuz Kfar Szold nahe dem Golan.

Frei von Sentimentalität, mit einem angenehmen Schuss Selbstironie als Ex-Zonen- und plötzliches BRD-Teen und gemäß der Devise ihres Vaters Klaus ("Ich bin Weltbürger"), für den keine Rassen, Religionen oder Kulturunterschiede existieren, hat Esther Zimmering ein gleichsam optimistisches wie ansehnliches und zeithistorisch extrem facettenreiches Familienporträt gedreht. Im Mikrokosmos zweier deutsch-jüdischer Familienstammbäume, die ideologisch lange Zeit in "Ost versus West" verankert waren, lassen sich die Schönheit wie der Schrecken des 20. Jahrhunderts noch einmal hautnah erfahren.

Der Filmemacherin gelingt es erstaunlich präzise, die kollektive Geschichte in Gestalt der Aufbau-Utopien von Israel wie der DDR sehr eng mit ihrer eigenen Entwicklung zu verbinden und die komplexe Familiengeschichte von 1933 bis in die Gegenwart nachzuzeichnen. Sie bleibt aber immer eine mitfühlende, ganz persönliche Beobachterin des Geschehens, auch des heutigen Israels - ein von Historie tief durchwirkter Familienstoff.

ARD/RBB
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