Kollegin KI übernimmt

Die Revolution in den Kreativberufen
Film von Nicole Blacha und Janin Renner
Sa 03. Jun
19:17 Uhr
Erstausstrahlung
Die KI-Revolution ist die wohl größte technologische Umwälzung seit der Industrialisierung. Sie wird auch die Arbeitswelt der Kreativbranche radikal verändern. Ein Grund zur Sorge?

Wie können sich Kreative aller Art vor KI-Ideenklau schützen? Welchen Jobs geht es derzeit besonders an den Kragen? Und welche neuen Jobs entstehen durch KI? Ein Beben geht durch die Branche, und es wird prophezeit: Das ist erst der Anfang!

Programme wie ChatGPT, Midjourney, DALL-E 2, Stable Diffusion, Murf AI oder GEN-2 erschaffen in einem Bruchteil menschlicher Arbeitszeit fotorealistische Bilder, Drehbücher, Filme samt KI-generierter Stimmen oder Nachrichten. Mit einem "Tsunami" vergleicht Sprecher und Tonstudio-Besitzer Umut Dirik die derzeitige Entwicklung. Noch stünden die meisten am Strand und blickten der Welle seelenruhig entgegen: "Ich glaube, dass viele noch nicht ganz begriffen haben, was diese KI alles machen wird, wie viele Jobs sie eventuell ersetzen wird, wie viele Menschen davon betroffen sein werden." Er selbst bekommt schon jetzt zu spüren, dass Aufträge wegbrechen. Erklärvideos, Infotexte und Telefonschleifen werden längst nicht mehr von echten Menschen, sondern von einer KI gesprochen.

Wie wird sich die Technologie mittelfristig auf seinen Berufszweig auswirken? Werden die Honorare zusammenschmelzen oder kaum noch Aufträge an Sprecherinnen und Sprecher vergeben?

KI-Radio Initiator und Informatiker Thore Laufenberg ist begeistert von der rasanten Entwicklung: "Das ist unfassbar, dass man Radio machen kann, ohne dass da ein Mensch für arbeitet. Das finde ich bombastisch". Dank KI hat er eines der weltweit ersten KI-Webradios programmiert. "The Rock! Radio Helgoland" läuft vollautomatisch und ohne Menschenpower. Das heißt: Computer und KI-Software steuern das Programm. Seit März versorgt der kleine Sender die ganze Welt via Netz mit Neuigkeiten rund um die Insel Helgoland.

Und auch die Kinderbuch-Illustratorin Gila von Meissner hat das Potenzial hinter dem KI-Hype erkannt und nutzt Bildgeneratoren wie Midjourney, die aus Stichworten sekundenschnell Bilder schaffen und ihre Arbeitszeit für ein Buch erheblich reduzieren: "Ein Bilderbuch zieht sich sonst über drei bis sechs Monate. Mit KI-Unterstützung schaffe ich das in einer Woche."

Doch nicht alle stimmt die KI-Entwicklung euphorisch. Der polnische Künstler Greg Rutkowski beklagt seither Auftragseinbußen, massenweise Kopien seines Stils und Bilderklau: "Wir als Opfer der ersten Stunde fühlen uns benachteilig, weil uns niemand um Erlaubnis gebeten hat. Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft." Als er herausgefunden hat, dass seine Werke - ungefragt und unvergütet - dazu benutzt worden sind, um KI-Programme zu trainieren, hat er sich einer Sammelklage angeschlossen. Der Vorwurf: Urheberrechtsverletzungen. Auch Getty Images führt aus demselben Grund einen Rechtsstreit gegen das Software-Unternehmen Stability AI. Juristinnen und Juristen sind sich einig: Das ist erst der Anfang einer Klage-Welle.

Aber dürfen Tech-Unternehmen überhaupt ungefragt die Werke von Künstlerinnen und Künstlern benutzen, um ihre KI's zu füttern? Und wie viel Mensch muss in mithilfe von KI-generierten Werken stecken, um urheberrechtlich geschützt zu sein? Und vor allem: Wie können sich Künstlerinnen und Künstler vor dem "KI-Bilderklau" rechtlich schützen?

In den falschen Händen kann die Technologie jetzt schon fatale Folgen für Demokratie und Sicherheit haben. Täuschend echte KI-generierte Deep Fake Inhalte fluten bereits jetzt das Netz. Lässt sich in Zukunft noch zwischen Fake und Original unterscheiden? Ende März forderten Hunderte Forscher und Unternehmer in einem offenen Brief einen halbjährigen Entwicklungsstopp von besonders leistungsfähiger KI. Ihr Warnruf: Das Tech-Wettlaufen sei außer Kontrolle geraten und könne "tiefgreifende Risiken für die Gesellschaft und die Menschheit darstellen". Auch der Deutsche Ethikrat mahnt: "KI darf den Menschen nicht ersetzen". Informatikprofessor und Stable Diffusion Miterfinder Björn Ommer von der Ludwig-Maximilians-Universität München sieht ebenfalls ethische Herausforderungen: "Natürlich müssen wir uns darüber Gedanken machen, wo wir mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz hingehen wollen, ob der Mensch geschützt werden sollte." Obwohl Politikerinnen und Politiker sowie Kreative auf Tempo drängen, um die Übermacht der KIs einzudampfen, hinken wir als Gesellschaft noch hinterher. Werden wir es schaffen, Kreative und ihre Arbeit frühzeitig zu schützen? Und welche Konsequenzen wird die KI-Revolution langfristig für die Kreativbranche haben?

Redaktionshinweis: Mit "nano spezial: Die KI erwacht" zeigt 3sat am Freitag, 9. Juni, um 18.30 Uhr eine weitere Sendung, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigt.

3sat
Dokumentation
Wissenschaft Technik Umwelt: Wissensch./techn. Neuheiten

Erweiterte Bildfunktionen im ZDF Programmdienst