Victoria (r.) stammt aus Brasilien und absolviert in Deutschland die Ausbildung zur Pflegefachfrau. Eine erfahrene Kollegin begleitet sie. (c) ZDF/Frank Amann

3satThema: Wer pflegt wen?

Mit dem Dokumentarfilm "IchDuWir – Wer pflegt wen?" und dem "3satThema Talk" mit Regisseurin Susanne Binninger

Wer pflegt wen? Das 3satThema am Mittwoch, 20. September 2023, befasst sich ab 20.15 Uhr mit der Schieflage in der Sorgearbeit und macht auf eines der großen gesellschaftlichen Probleme aufmerksam. Zum Auftakt zeigt 3sat den Dokumentarfilm "IchDuWir - Wer pflegt wen?" (Deutschland 2023) von Susanne Binninger, der Menschen, die Sorgearbeit verrichten, im Beruf wie auch im privaten Umfeld, begleitet. Im Anschluss diskutiert Cécile Schortmann im "3satThemaTalk" mit der Filmemacherin Susanne Binninger und der Medizinethikerin und Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats Alena Buyx zum Thema.

Gesellschaft
3satThema
Mi 20. Sep
20:15 Uhr
und
Mi 20. Sep
21:40 Uhr
Erstausstrahlungen

3satThema: Wer pflegt wen?
Mittwoch, 20. September 2023, 20.15 Uhr
"IchDuWir – Wer pflegt wen?"

Dokumentarfilm von Susanne Binninger, Deutschland 2023
Erstausstrahlung

Alle sind in ihrem Leben auf Zuwendung und Versorgung durch andere angewiesen. Aber Sorgearbeit in Deutschland ist von gravierender sozialer Ungerechtigkeit geprägt. Wer diese Arbeit ausübt, ist meist weiblich, oft schlecht oder gar nicht bezahlt, in Teilzeit oder ehrenamtlich tätig und einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Und trotz der existenziellen Bedeutung von Sorgearbeit erfährt die pflegende Person wenig Wertschätzung.

"IchDuWir – Wer pflegt wen?" von Susanne Binninger thematisiert die enorme Schieflage anhand von fünf bewegenden Geschichten und macht damit auch auf eines der großen gesellschaftlichen Probleme der Zukunft aufmerksam: Wie soll der steigende Bedarf an Pflegekräften gedeckt werden, wenn wir dieser Arbeit nicht den ihr angemessenen Wert zuerkennen? "IchDuWir – Wer pflegt wen?" zeigt die Leistung von Menschen, die Sorgearbeit verrichten, im Beruf wie auch im privaten Umfeld. Was sie tun, tun sie für andere. Sie leisten enorm viel, aber oft im Verborgenen. Linda, eine alleinerziehende Mutter, kümmert sich um vier Kinder, eines davon hat das Down-Syndrom. Sie spürt den gesellschaftlichen Druck, einer Lohnarbeit nachgehen zu müssen, schafft das aber nicht und fühlt sich wertlos. Zwei junge Frauen, Victoria aus Brasilien und Cholpon aus Kirgisistan, haben ihre Heimatländer verlassen, um sich in Deutschland zur Pflegefachfrau ausbilden zu lassen. Sie absolvieren erste Praxiseinsätze im Krankenhaus und in einem Pflegeheim, vermissen ihre Familien und fragen sich, wer sich um ihre eigenen Angehörigen kümmern wird und wo eigentlich die Familien der Menschen sind, die sie betreuen? Konny pflegt seit 28 Jahren ihren Mann, der an Multipler Sklerose erkrankt ist. Sie hat dafür ihren Job aufgegeben. Nun kämpft sie für die Rechte von pflegenden Angehörigen, "dem größten Pflegedienst Deutschlands". Angesichts der Anforderungen und Defizite im Pflegebereich sind junge Pflegekräfte wie Valentin und Celina zu Aktivist*innen geworden und auf die Straße gegangen. Sie protestieren für bessere Arbeitsbedingungen. Wenn sich nichts ändert, werden sie ihren Beruf verlassen – wie so viele. Sie kritisieren die systemischen Mängel wie den hohen Arbeitsdruck im Gesundheitswesen, resultierend aus Rationalisierungsbestrebungen und Profitorientierung.

 

Director's Statement von Susanne Binninger

"Auch ich habe mich erst dann mit dem Thema Pflege auseinandergesetzt, als meine Mutter pflegebedürftig wurde. Ich fühlte mich zuständig und hatte von da an mit sehr vielen Frauen zu tun: in der Diakonie, im Pflegeheim, im Krankenhaus. Eine überwiegend weibliche Welt, in der die professionellen Sorgearbeiter*innen (Care Arbeiter*innen) eine hohe Motivation brauchen, um ihren gering geschätzten Job durchzustehen und in der das Sich-um-andere-Kümmern im familiären Kontext als selbstverständlicher Dienst verstanden wird. Mich haben diese sorgenden Frauen interessiert, und die gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sie ihre Tätigkeiten ausüben.

Weil ich Dokumentarfilmerin bin, ist 'IchDuWir – Wer pflegt wen?' keine Reportage über Mängel im Gesundheitssystem, sondern eine Erzählung, die sich aus mehreren Porträts zusammensetzt. Dabei lag mein Fokus vor allem darauf, Protagonist*innen zu finden, die Nähe zulassen und ihre Geschichten teilen wollen. Ein Dokumentarfilm muss für mich aber noch einen weiteren Anspruch erfüllen: den Blick weiten und das ganze Bild zeigen. Statt eine Aneinanderreihung von singulären Lebensgeschichten wollte ich auch Kontext herstellen, Fakten und Hintergrundinformationen liefern.

Ich glaube, dass sich viele Menschen für das Thema interessieren, weil fast jede*r in der einen oder anderen Form betroffen ist. Aber ich möchte nicht nur Betroffenheit erzeugen, sondern mir geht es um eine Wirkung, die über die Identifikation mit den Protagonist*innen hinausgeht. Der Film soll auch als Appell verstanden werden."

 

Der Dokumentarfilm "IchDuWir - Wer pflegt wen?" von Susanne Binninger ist noch bis 18.03.2024 in der 3satMediathek zu sehen. Fotos zum Film  finden Sie hier.

 

3satThema: Wer pflegt wen?
Mittwoch, 20. September 2023, 21.40 Uhr
"Der 3satThema Talk"

Cécile Schortmann im Gespräch mit Susanne Binninger und Alena Buyx
Erstausstrahlung

Ein Kollaps des Pflegesystems zeichnet sich ab. Aktuell kommen die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter und werden in wenigen Jahren Pflegeleistungen in Anspruch nehmen müssen. Dem gegenüber steht der Fachkräftemangel. Wo liegen die Wurzeln für die Schieflage? Und was müsste man tun, wenn man sie beheben wollte?

Cécile Schortmann diskutiert mit Susanne Binninger, Autorin des Films "IchDuWir - Wer pflegt wen?", und der Medizinethikerin Alena Buyx über Lösungsperspektiven in der Pflegekrise.

 

Fotos zum 3satThema "Wer pflegt wen?" finden Sie hier.

Hauptabteilung Kommunikation

Claudia Hustedt
hustedt.cwhatever@zdf.de
Mainz, 18. August 2023