Kinder werden missbraucht. Vermittelt, gebilligt und finanziert vom Jugendamt. / © ZDF/Johannes Straub

Das Kentler-Experiment ‒ staatlich finanzierter Kindesmissbrauch

Über die Hintergründe eines Behördenversagens

Über drei Jahrzehnte schickten Berliner Jugendämter im Rahmen des so genannten "Kentler-Experiments" ab Ende der 1960er-Jahre schwer erziehbare Minderjährige zu pädophilen Straftätern ‒ unter Aufsicht des renommierten Sexualwissenschaftlers Helmut Kentler. Kentler, Jahrgang 1928, zählte damals zu den Stars der Sexualwissenschaft, als progressiver Erziehungswissenschaftler gefragt bei den Medien. Der Film beleuchtet die Hintergründe eines fatalen Behördenversagens. Er befragt Weggefährten und Fachleute, die das Kentler-Experiment aufarbeiten. Und schildert den tragischen Fall eines der Leidtragenden, der bis heute mit den Folgen zu kämpfen hat.

Einen Bilderlink finden Sie hier

Die Dokumentation steht vom 29.01.2026 bis 28.01.2029 in der 3satMediathek zur Verfügung.

Gesellschaft
Dokumentation
Mi 04. Feb
20:15 Uhr
Erstausstrahlung

Westberlin Ende der 1960er-Jahre: Ulrich ist 13, aus einem Kinderheim abgehauen, Stricher am Bahnhof Zoo, ohne Zuhause, ohne Bildung. Heute würde man ihn einen Systemsprenger nennen. Aber: "Sein Vorteil war, dass er gut aussah und dass ihm Sex Spaß machte; so konnte er pädophil eingestellten Männern, die sich um ihn kümmerten, etwas zurückgeben." Dieser Satz stammt von Helmut Kentler, einem damals hoch angesehenen Sexualwissenschaftler. 1969 startet Kentler mit der Berliner Jugendbehörde ein Experiment: Drei vorbestrafte Pädophile sollen als Pflegeväter Straßenjungen aufnehmen – offiziell, mit Pflegegeld und Kentlers Supervision. In seinem Gutachten 1988 räumt er ein: "Mir war klar, dass die drei Männer vor allem darum so viel für 'ihren' Jungen taten, weil sie mit ihm ein sexuelles Verhältnis hatten. Sie übten aber keinerlei Zwang auf die Jungen aus, und ich achtete bei meiner Supervision besonders darauf, dass sich die Jungen nicht unter Druck gesetzt fühlten." 

Zur Zeit des Modellversuchs arbeitet Kentler als Abteilungsleiter beim Pädagogischen Zentrum in Berlin, einem bundesweit beachteten Reformlabor. Der Pädagoge nimmt selbst gestrandete Jungs bei sich auf, drei von ihnen adoptiert er. Auch er missbraucht seine Schutzbefohlenen. Das Berliner Jugendamt schickt weitere Teenager zu Kentlers Kollegen Herbert E. Colla-Müller und an die Odenwaldschule. Auch sie erfahren sexualisierte Gewalt. Und zu allem Überfluss lässt das pädophile Täternetzwerk sich seine "Dienste" auch noch ordentlich vergüten. Wie konnte das geschehen? Mit Wissen und Finanzierung durch staatliche Stellen? Warum fällt niemandem auf, was da Ungeheuerliches vorgeht?

Hauptabteilung Kommunikation
Programmkommunikation

Annette Reichert
reichert.awhatever@zdf.de
Mainz, 11. Dezember 2025
zu Pressefotos
Sendetermine