"NANO Talk"-Moderatorin und Medizinethikerin Alena Buyx (c) ZDF und Ben Knabe.

"Ich bin aus vollem Herzen Wissenschaftlerin" - Interview mit Alena Buyx

Im Gespräch mit der neuen "NANO Talk"-Moderatorin und Medizinethikerin Alena Buyx

NANO

Frau Buyx, Sie waren von 2020 bis 2024 Vorsitzende des Ethikrats, haben eine Professur und sind eine renommierte Medizinethikerin. Jetzt moderieren Sie im Wechsel mit der Journalistin, Moderatorin und Podcasterin Stephanie Rohde den 3sat NANO Talk. Was reizt Sie daran, eine wöchentliche interdisziplinäre Gesprächssendung zu moderieren?

Ich bin aus vollem Herzen Wissenschaftlerin und bin immer wieder begeistert, was Wissenschaft kann, womit sich die verschiedenen Fachrichtungen beschäftigen, wie viele unterschiedliche Lösungsansätze auch erarbeitet werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Probleme und Herausforderungen ist es immens wichtig, diese Ideen und Ansätze noch stärker für die Gesellschaft sichtbar zu machen. Und ich freue mich ganz besonders über die Möglichkeit, das in Zukunft in einer Gesprächsrunde tun zu können, die sich wirklich dem interdisziplinären Austausch verschreibt und die sich Zeit nehmen kann, um in die Tiefe zu gehen. Viele dieser Themen sind ja kompliziert. Das heißt aber nicht, dass man sie nicht sehr interessant und konstruktiv besprechen kann.
 

Sie waren bereits oft als Gast in Talkrunden – übrigens auch bei Gert Scobel mehrfach –, haben das ein oder andere wissenschaftliche Panel geleitet, aber noch nie eine Fernsehsendung moderiert. Wie ist das für Sie?

Ich habe in der Vergangenheit zwar viele Gesprächsrunden und Sitzungen moderiert, aber natürlich ist es ein enormer Wechsel, wenn man das vor einer Kamera macht; mit all dem, was dazugehört. Ich war bei der ersten Sendung wirklich aufgeregt und hatte – und habe! – gehörigen Respekt davor, weil es natürlich etwas ganz anderes ist, ein Gespräch zu gestalten als aus der eigenen Expertise heraus Fragen zu beantworten. Also es ist mir Ehre, Freude und Herausforderung zugleich, im "NANO Talk" Gastgeberin sein zu dürfen.
 

Wo liegen konkret die Herausforderungen, aber auch Chancen in dieser neuen Rolle als Moderatorin? 

Als Gastgeberin muss man allen in der Runde genug Raum geben, die wichtigsten Ideen herauszuarbeiten und miteinander ins Gespräch zu kommen – und das in einem festgelegten Zeitrahmen. Die Chance in meiner neuen Rolle liegt darin, meine Begeisterung für die Wissenschaft und die komplexen Fragen der Zeit, für die die Wissenschaft so viele, durchaus intensiv diskutierte Lösungen anbietet, allgemeinverständlich und auf eine gewisse Art unterhaltsam zu übersetzen. Das ist bei Themen wie zum Beispiel Künstlicher Intelligenz, Physik und Medizin natürlich sehr anspruchsvoll. Gleichzeitig glaube ich aus tiefstem Herzen daran, dass wir das ganz unbedingt brauchen, denn Wissenschaft ist eine der wesentlichen Säulen einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft.
 

Gibt es Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Das sind natürlich die Themen, die mit meinem Fachgebiet zu tun haben. Also alles, was – breit verstanden – in der Medizin und im Gesundheitswesen passiert und in und auf unsere Gesellschaft Effekte hat, dazu demokratietheoretische Themen, Fragen des sozialen Zusammenhalts und so weiter. Ich bin aber genauso begeistert zu lernen, was es Interessantes, Tolles und Spannendes in den Bereichen gibt, in denen ich mich nicht direkt auskenne. Themen, die mir von meiner eigenen Expertise her fremd sind, aber denen ich mich gemeinsam mit den Gästen annähern darf. In diesem Fall kann ich die Perspektive des Publikums noch stärker einnehmen und nachfragen – und darauf freue ich mich sehr.
 

Wer wäre Ihr Lieblingsgast in der Sendung?

Mein Lieblingsgast – und das ist aber leider nicht mehr möglich – ist ein außergewöhnlicher Mann: der US-Amerikaner Carl Sagan. Selbst Wissenschaftler ist es ihm gelungen, diese Verzauberung und Begeisterung für die Wissenschaft, aber auch ihre Bedeutung als eine der Grundfesten unserer aufgeklärten Gesellschaften wunderbar ganz vielen Menschen verständlich und emotional näherzubringen. Seine Sendungen gibt es alle noch auf YouTube, man kann seine Bücher lesen oder die Hörbücher anhören. Das ist, finde ich, immer noch ein Goldstandard. Warum Wissenschaft uns nach wie vor so viel gibt und wie wichtig es aber auch ist, die wissenschaftliche Methodik immer wieder zu erklären, – aber auch durchaus gegen Angriffe zu verteidigen! –, darüber würde ich wahnsinnig gerne mit ihm sprechen.
 

Sie haben in Ihrer Karriere viele ethische Dilemmata behandelt. Gibt es ein bestimmtes Ereignis oder eine Entscheidung, die Sie besonders geprägt hat?

Am stärksten bewegen mich die individuellen Fälle aus der klinischen Ethikberatung, tatsächlich direkt am Krankenbett. Das mache ich jetzt seit fast 20 Jahren, wenn auch in der letzten Zeit nicht ganz so intensiv. Ethikberatung klingt erstmal sehr theoretisch. Wenn es dann aber um einen konkreten Fall geht, beispielsweise bei jemandem, der auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichten möchte, und Ärztinnen und Ärzte diesem Wunsch folgen, wird deutlich, welche Herausforderung es ist, ärztliche Fürsorge mit dem Respekt vor dieser Patientenentscheidung in Einklang zu bringen. Dabei muss unter anderem geprüft werden, wie selbstbestimmt diese Entscheidung ist. Das ist schon sehr ergreifend, zeigt aber eben auch die Möglichkeit, mit einem sehr theoretischen wissenschaftlichen Rüstzeug im ganz realen Leben helfen zu können. Das finde ich wunderbar.
 

Wie gehen Sie mit Kritik um?
Kritik gehört ja zu meinem Alltag dazu. Wir sind nicht nur in meinem Fachgebiet, wo es auch sehr häufig um das produktive Streiten geht, darauf angewiesen, dass andere unsere Positionen immer wieder kritisieren. Insgesamt ist in der Wissenschaft die Peer-Review-Methode verbreitet, in der wir uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer wieder gegenseitig prüfen und hinterfragen. Deswegen schätze ich Kritik sehr und finde sie ungemein wichtig und erkenntnisfördernd. Auch in der öffentlichen Diskussion ist sie essenziell für eine lebendige Demokratie, in der es eben zu wichtigen Fragestellungen unterschiedliche Positionen geben kann.

Problematisch wird es, wenn es sich nicht mehr um Kritik handelt, sondern um Angriffe, Hass oder Bedrohungen von einzelnen Personen, was leider gerade im digitalen Raum heute viel zu häufig viel zu schnell passiert. Da verläuft für mich eine Grenze. Das hat nichts mehr mit Kritik zu tun und darf auch nicht als solche missverstanden werden. Dagegen muss man angehen, auch rechtlich. Was das Trollen im Internet betrifft, geht es vor allem darum, sich davon innerlich abzugrenzen. Ich empfehle tatsächlich, das einfach nicht zu lesen.
 

Gibt es eine Person, die auf Ihrem Karriereweg Inspiration oder Vorbild war?

Mich haben wirklich sehr, sehr viele Menschen sehr inspiriert. Angefangen bei meinen Eltern über meine – ganz wichtig! – erste Chefin in Münster, Bettina Schöne-Seifert, die meinen Lebensweg wissenschaftlich wirklich entscheidend geprägt hat und mir auch ein großes Vorbild war, über meinen Chef in London beim englischen Ethikrat. Er hat mir sehr viel darüber beigebracht, wie man ein Team führt, wie man respektvoll und gleichzeitig effizient managed. Ansonsten haben mich immer wieder Kolleginnen und Kollegen sehr inspiriert – im Ethikrat, in den verschiedenen Gremien, in denen ich sitzen durfte und noch sitzen darf. Ich bin zutiefst dankbar, vielen beeindruckenden Menschen – auch aus der Politik, aber insbesondere auch aus der Zivilgesellschaft – begegnen zu dürfen: Menschen, die Initiativen gründen, die sich einsetzen. Da bin ich oft wirklich sprachlos. Welch ein Engagement sich da entfalten kann, was für tolle Ideen – da gibt's so viele, die mich inspiriert haben. Die kann ich hier gar nicht alle aufzählen.
 

Wie kommen Sie nach einem langen Tag runter?

Sport oder ein gemeinsames Essen mit der Familie. Und ab und zu mal feiern und tanzen … 
 

Was weiß man noch nicht über Alena Buyx, sollte es aber wissen?

Ich liebe es, als Ausgleich zu kochen und zu essen. Ich bin ein ziemlicher Genussmensch.

 

Das Interview führte Marion Leibrecht, ZDF/3sat.

 

Die Biografie von Alena Buyx finden Sie hier.

Fotos finden Sie hier.