Jede Woche legt Bașak Demirtaș 3400 Kilometer zurück, um für nur eine Stunde ihren Mann im Gefängnis zu besuchen: Selahattin Demirtaș, den berühmtesten politischen Gefangenen der Türkei / Copyright: ZDF/Christian Feiland

Zwischen Hoffnung und Verzweiflung: 3sat zeigt die Kulturdoku "Die Ära Erdoğan am Ende?"

Ein Film von Jutta Louise Oechler

Das Erdbeben und die bevorstehenden Wahlen überschatten die Kulturszene der Türkei. Wird kurz vor dem 100. Geburtstag der Türkischen Republik die Macht des Autokraten Erdogans gebrochen? Die Repression im Land ist stärker denn je – und doch gibt es immer noch viele Kulturschaffende, Journalistinnen und Journalisten sowie Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler, die ihren Mut nicht verlieren. Wie können sie noch arbeiten? Wie ein Publikum finden, wenn viele Menschen sich kaum noch Brot leisten können? 3sat zeigt die Kulturdoku "Die Ära Erdoğan am Ende? - Die Türkei zwischen Hoffnung und Verzweiflung" am Samstag, 6. Mai 2023, um 19.20 Uhr im Vorfeld der türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die Doku steht ab Freitag, 5. Mai 2023, 18.00 Uhr, in der 3satMediathek unter www.3sat.de.

Dokumentation
Sa 06. Mai
19:20 Uhr
Erstausstrahlung

Im Gefängnis von Edirne sitzt seit über sechs Jahren der wohl berühmteste Gefangene des Landes, der kurdische Politiker Selahattin Demirtaş, ehemaliger Vorsitzender der überwiegend kurdischen Partei HDP. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, ihn sofort freizulassen, wird ignoriert. Aus seiner Zelle heraus hat der Hoffnungsträger fünf literarische Bücher geschrieben. Mit „Kaltfront“ erscheint am 28.Juni sein zweiter Erzählband auf Deutsch. Der Film  Jutta Louise Oechler begleitet seine Frau Başak Demirtaş zu einem Gefängnisbesuch. Kulturförderer Osman Kavala ist seit über fünf Jahren ein politischer Gefangener. Der weltläufige, stille Philanthrop setzt sich für eine Zivilgesellschaft ein, die die kulturelle Vielfalt der Türkei anerkennt und Minderheiten wie Kurden, Armeniern, Griechen, Juden und Aleviten gleiche Rechte einräumt. Seine Frau und seine engste Mitarbeiterin hoffen, dass die Opposition siegt und das kafkaeske Urteil lebenslanger Haft für Kavala aufgehoben wird. Auch Oya Baydar, die starke alte Dame der türkischen Literatur, saß bereits im Gefängnis. Früher dachte sie einmal, man könne sich mit Erdoḡan arrangieren. Heute sagt sie: Die Bedeutung der kurdischen Frage habe sie viel zu spät begriffen. Ohne die Lösung des Kurdenkonflikts seien Frieden und echte Demokratie in der Türkei nicht möglich. Genau dafür kämpft er: der Schauspieler und Sänger Barış Atay. Er sitzt für die Arbeiterpartei TIP im Parlament. Sein Wahlkreis Hatay gehört zu der Region, die am schlimmsten von dem Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen ist. Atay war nach dem Erdbeben sofort vor Ort und wirft der Regierung wegen laxer Bauvorschriften, Korruption und zu später Hilfe den sinnlosen Tod tausender Menschen vor. Doch Kritik und Unrecht im Land bekommen viele Bürgerinnen und Bürger gar nicht mit, denn fast alle TV-Sender und Zeitungen sind gleichgeschaltet, nur im Internet halten sich noch oppositionelle Medien. Mit dem sogenannten Desinformationsgesetz ist eine Verschärfung eingetreten, mit der nicht nur Journalistinnen und Journalisten eingeschüchtert werden sollen. Wie schaffen es unabhängige Medien, sich im Netz zu halten? Und was ist zehn Jahre nach den Gezi Park-Protesten in Istanbul noch übrig von der einstigen Aufbruchstimmung? Am 14. Mai wählt die Türkei ihren Präsidenten und das Parlament. Siegt in Zeiten von Erdbeben-Katastrophe und Wirtschaftskrise der Wunsch nach einem starken Mann an der Spitze? Oder werden Verzweiflung und Wut über mehr als 50.000 Tote Erdoḡan die Macht kosten?

 

Die Kulturdokumentation "Die Ära Erdoğan am Ende? - Die Türkei zwischen Hoffnung und Verzweiflung" fängt die Stimmung im Land kurz vor den Wahlen ein, wo so viele durch das Beben alles verloren haben, vor Gericht stehen oder inhaftiert sind.

 

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Hauptabteilung Kommunikation

Claudia Hustedt
hustedt.cwhatever@zdf.de
Mainz, 18. April 2023